1
10
1
-
https://d1y502jg6fpugt.cloudfront.net/25778/archive/files/48529f0a966c9c96c82dbed8d07fcfd1.pdf?Expires=1712793600&Signature=qnPd0R-hkVTCfqqcLDYv15ng35olhFU1bYgIlHkAr1qiKZIsPjEUTiLxKQkkwwSG%7E-4R3PcJNuuAAU2hM0eg8lrp-vV7cC7aP9sYX6cLHxNJM7MbXFwib3lWy1SZ3zrwzeFWAaa4bZS6wzfbzsBFQ8Oc-T6H5R%7E-VP4Iyi2ZQswOGE-sFR5wFLDkgRi60NQnxW-MKoED0nfVPmIVIegis7o6ZexyU-NoR9edkc0BjkFKvkLspK%7EgfP2%7EmHLFA9pKlVkQ1I2b3%7EKVJ1mPx6UE-MEhsZfYwYwGffsAVRvHGHdjlT03s63rbDKTigW%7EOJHz-29BfzVYmF0MKvEzS1vTWg__&Key-Pair-Id=K6UGZS9ZTDSZM
75d0eccb756457f9275766eba50e889e
PDF Text
Text
I ERNST HRECKEL
Sandalion
Eine offene Antwort
auf die FälschungsAnklagen derjesuiten
1.—5. Tausend
Frankfurt a.M.1910
Heuer Frankfurter
Verlag Q. m. b. H.
4
■ .'äjWfk- 'fiKK
z>.
•V ■'
" -9
�Neuer Frankfurter Verlag Q. m. b. H. Frankfurt a. M.
Mit den für die Abonnenten kostenlosen Beilagen
Bibliothek der Aufklärung und Der Dissident
GG
die dem Kampf um Weltanschauungsfragen Interesse
entgegenbringen,
die auf dem Gebiete der Schul- und Erziehungsfragen
intellektuelle Redlichkeit verlangen,
die über Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen
vorurteilsfrei und unparteiisch unterrichtet werden
wollen,
die ehrlich voran wollen und aller Interessenpolitik und
Heuchelei feind sind,
und Verlagsverzeichnisse erhalten Sie auf Verlangen vom
NEUEN FRANKFURTER VERLAG, FRANKFURT A. MAIN.
�bP-^7
Inhalt.
Seite
Vorwort.................................................... ’....................................................
$
Naturerkenntnis und Glaubensdichtung................................................. 7
Jesuitenbund.................................................................................................
IO
Thomasbund. Der katholische Jesuitenbund.............................................n
Erich Wasmann.................................................................................... .....
Keplerbund. Der evangelische Jesuitenbund............................................. x2
Fälscherbund........................................................................................
Die Jesuitische Presse............................................................................. jq
Professor Tartüffe......................................................................................
Der Sturz Haeckels . . . ■................................................................ .....
Fälschungen von Arnold Brass .................................................................... 23
Der Kronzeuge der Fälschungsanklagen ........................................ 25
Skelette des Menschenaffen............................................ •
26
Bilder im Phyletischen Museum............................................... 27
Die Familie des Affenmenschen........................................................ 28
Mutterliebe bei Affen und Menschen................................................ 29
Rudimentäre Organe des Menschen................................................ 29
Gewebe des Menschen............................................
30
Kritik der Stammbäume........................................................
31
Eizelle des Menschen....................................................................
Embryonenbilder.........................................................................................
j2
Körperform und Struktur der Embryonen.................................... 24
Material der Embryonen........................................................................ 24
Individuelle Variation der Embryonen............................................ 25
Sandalion der Wirbeltiere........................................................................
27
Struktur des Sandalion........................................................................ 28
Menosoma und Embryorgane............................................................ 28
Vergleichung der Sandalenkeime........................................................ 29
Sandalion des Menschen........................................................................ 29
Urmund des Menschenkeims..................................................................
Fälschung des Sandalion-Bildes.................................................................... 42
Weitere Fälschungen ............................................................................ 44
Stichproben aus der Jesuitenpresse................................................................ 42
Der Embryonen-Prozeß........................................................................ 46
Schlußwort................................................................................................
47
Literaturnoten (L.)............................................................................................. 2o
Zeugen im Embryonen-Prozeß.........................................................................2i
Dank den Jesuiten........................................
24
��Vorwort.
Drei Vorträge über den „Kampf um den Entwickelungs
gedanken“, welche ich im April 1905 zu Berlin gehalten habe,
gaben die Veranlassung zu vielen und heftigen Angriffen der
Gegner einer freien, von mystischen Glaubenslehren unabhängigen
Weltanschauung. Vielfach richteten sich diese Angriffe nicht so
wohl gegen die Kernfragen unserer modernen Entwickelungslehre,
als gegen meine Person, als Verfasser der vielgeschmähten „Welt
rätsel“, in denen ich diese großen Probleme vom Standpunkte
der monistischen Philosophie umfassend behandelt hatte. Um diese
herabzusetzen, wurden meine Arbeiten überhaupt als wertlose und
irreführende Dilettanten-Machwerke verworfen; besonders aber
Wörde mit Erfolg der Versuch gemacht, meine embryologischen
Darstellungen und die sie erläuternden Abbildungen als verwerf
liche „Fälschungen der Wissenschaft“ zu brandmarken. Als
willkommene Scheinbeweise dienten dabei meinen Gegnern beson
ders die schematisierten Figuren von jungen Embryonen des
Menschen und anderer Wirbeltiere, die ich zum Vergleiche ihrer
Ähnlichkeit in mehreren Schriften nebeneinander gestellt hatte:
zuerst in der „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“ (1868), dann in
der „Anthropogenie“ (1874), ferner in den vorerwähnten „Berliner
Vorträgen“ (1905) und endlich in dem Vortrag über „Das Men
schenproblem und die Herrentiere von Linne“ (1907).
Diese Objekte, die Embryonen der Wirbeltiere, und be
sonders der Säugetiere, gehören zu den wichtigsten Beweismitteln
unserer Stammesgeschichte. Denn sie lehren, unterstützt durch die
Erkenntnisse der vergleichenden Anatomie und der Paläontologie,
für jeden unbefangenen Beobachter unmittelbar unsere nahe Stamm
verwandtschaft mit den anderen Säugetieren. Aber leider liegt
dieses geheimnisvolle Gebiet der vergleichenden Keimesgeschichte
unserem gewohnten Bildungskreise sehr fern und erfordert neben
eingehendem Studium auch gründliche morphologische Vorbildung
und kritische Schulung des Urteils. Darauf gestützt versuchten
die Gegner der Entwickelungslehre hier den Hebel zu ihrer Wider
legung einzusetzen; sie klagten mich in der schärfsten Weise der
Fälschung und des Betruges an, weil ich die angewandten Embryonenbilder schematisiert, d. h. unwesentliche Beigaben weg
�6
gelassen und wesentliche Formverhältnisse scharf hervorgehoben,
auch einzelne Beobachtungslücken durch vergleichende Synthese
ergänzt hatte.
Die weite Verbreitung, welche diese jesuitischen Angriffe
meiner Gegner neuerdings gefunden haben, zwingt mich jetzt,
nochmals zu ihrer Beleuchtung und Entkräftung auf die angeb
lichen „Fälschungen“ einzugehen. An einem konkreten, besonders
wichtigen Beispiele, dem hochinteressanten Sandalion, werde ich
zeigen, in wie verwerflicher Weise die Jesuiten ihrerseits die
Wahrheit gefälscht haben. Eine nähere Analyse der einzelnen so
genannten „Embryonenfälschungen“ und des verwickelten, daran
geknüpften Kampfes kann ich mir ersparen, da mein früherer
Assistent, Dr. Heinrich Schmidt (Jena) sie bereits gründlich und
wahrheitsgemäß beleuchtet hat in seiner Schrift: „Haeckels Embryonenbilder, Dokumente zum Kampf um die Weltanschauung in
der Gegenwart“ (mit zahlreichen Abbildungen, 91 Seiten, Preis 1
Frankfurt a. M. 1909). Diese wertvolle Abhandlung zeichnet sich ebenso
durch umfassende Sachkenntnis, wie durch klares philosophisches
Urteil aus; es sind darin auch aktenmäßig die Quellen angeführt
(und zum Teil wörtlich wiedergegeben), welche von beiden strei
tenden Parteien verwertet und gegenübergestellt worden sind.
Wichtig ist insbesondere das kritische Schlußwort (S. 79). Der
Verfasser hat hier „scharf, prinzipiell und ohne jedes unnötige
Beiwerk das Fazit aus dem Kampfe gezogen, der wie ein spannen
des Schauspiel vor unseren Augen vorbeigezogen ist“.
Seine
22 Schlußsätze, welche die wesentlichen Gegensätze klar beleuchten,
setzen jeden unbefangenen Leser in den Stand, sich selbst ein
richtiges Urteil zu bilden. (Im folgenden Text ist diese wichtigste
Schrift kurz zitiert als: H. S. Dokumente.)
Unter den zahlreichen Aufsätzen, welche sich außer den dort
angeführten Publikationen mit diesem Kampfe befaßt haben, sind
namentlich diejenigen hervorzuheben, welche in den vier Jahr
gängen des „Monismus“ erschienen sind („Zeitschrift für einheit
liche Weltanschauung und Kulturpolitik, Blätter des Deutschen
Monistenbundes“); sowie in der „Neuen Weltanschauung“
(Monatsschrift für Kulturfortschritt auf naturwissenschaftlicher
Grundlage, redigiert von Dr. Wilhelm Breitenbach, Leipzig);
— ferner in der „Frankfurter Halbmonatsschrift für Fortschritt
auf allen Gebieten des geistigen Lebens: Das Freie Wort“
(Neuer Frankfurter Verlag).
Jena, 10. November 1910.
Ernst Haeckel.
�Naturerkenntnis und Glaubensdichtung.
Der große „Kampf um die Wahrheit“, der seit Jahr
tausenden von den denkenden, nach Erkenntnis strebenden Men
schen geführt wird, zeigt uns seit Beginn des zwanzigsten Jahr
hunderts einen anderen Charakter als in allen früheren Zeiten.
Wenn schon im achtzehnten Jahrhundert der freie Geist der Auf
klärung durch eine große Zahl der bedeutendsten Denker mächtig
gefördert wurde, hat er doch erst im neunzehnten, im „Jahr
hundert der Naturwissenschaft“, die herrschende Stellung er
rungen, welche die vorhergehenden Bildungsepochen nicht ahnen
konnten.
Die bewunderungswürdigen Fortschritte der Naturerkennt
nis mußten notwendigerweise den tiefgreifendsten Einfluß auf die
gesamte Weltanschauung der denkenden Menschheit ausüben.
Schärfer und allgemeiner als je zuvor hat sich der prinzipielle
Gegensatz ausgeprägt zwischen den klaren Vernunftsätzen der reinen
Wissenschaft und den nebelhaften Phantasiegebilden der bunten
Glaubensdichtung. Einerseits haben uns die Erfahrungen und
Versuche der modernen Naturwissenschaft zu der festen Über
zeugung geführt, daß der ganze Weltprozeß nach „ewigen,
ehernen, großen Gesetzen“ verläuft, die in der Natur der Dinge
selbst begründet sind; und daß der höchste Begriff: „Gott“
in diesen selbst liegt. Anderseits behaupten dagegen die An
hänger des traditionellen Kirchenglaubens, daß ein persönlicher
Gott die Welt erschaffen habe und regiere, daß er die Natur
gesetze erfunden habe, nach denen sich die Entwickelung der Welt
gestaltet. Im Mittelpunkte dieses weltbewegenden Geisteskampfes
steht seit einem halben Jahrhundert unsere moderne Entwicke
lungslehre, zu deren Ausbau 1859 Charles Darwin den Anstoß
gab. Er füllte durch seine geniale Selektionstheorie (— den ^Dar
winismus“ im engeren Sinne —) die empfindliche Lücke aus, welche
fünfzig Jahre früher sein großer Vorgänger Jean Lamarck beim
Aufbau der Deszendenztheorie offen gelassen hatte. Die ausnahms
lose Gültigkeit natürlicher Entwickelungsgesetze, wie sie dreißig
�—
8
—
Jahre früher in der Erdgeschichte für die anorganische Natur er
kannt worden war, wurde nun auch auf das ganze Gebiet der
organischen Natur (— an ihrer Spitze den Menschen —) ausge
dehnt. Damit wurden zugleich die alten, ehrwürdigen, seit Jahr
tausenden durch mystische Religionsdichtungen befestigten Vor
stellungen von einer übernatürlichen Schöpfung der Lebens
formen zerstört. An die Stelle des außerweltlichen Schöpfers, des
„persönlichen Gottes“ (Ontheos) trat jetzt das monistische Bild
des innerweltlichen Allgottes — der „Gott-Natur“ (Pantheos},
wie sie schon Wolfgang Goethe in wundervollen Dichtungen
verherrlicht hatte (L. i).
Frühzeitig begriff die streitbare Kirche die drohende Gefahr,
welche ihren Herrschaftsgelüsten über die Geister durch diese
monistische Entwickelungslehre bereitet wurde. Sie eröffnete auf
allen Linien einen energischen Kampf gegen den Darwinismus, und
dieser Kampf nahm während des letzten Drittels des neunzehnten
Jahrhunderts im Geistesleben weitester Kreise einen großen Raum
ein. Aber schon am Schlüsse desselben (1899) konnte ich in
meinem Buche über die „Welträtsel“ feststellen, daß der Sieg des
monistischen Entwickelungsgedankens und die Niederlage der dua
listischen Schöpfungslehre in allen Gebieten der modernen Natur
philosophie vollkommen sei.
Nunmehr hielt es die unterlegene Ecclesia militans — und
die mit ihr verbündete dualistische Schulphilosophie
im Be
ginne des zwanzigsten Jahrhunderts für geraten, ihre Fahne zu
wechseln und die Firma der siegreichen Entwickelungslehre für
sich selbst in Anspruch zu nehmen. Eine außerordentlich lebhafte
Agitation entfalteten in dieser Richtung die Jesuiten, die ja seit
Jahrhunderten mit größtem Erfolge die Kunst der Fälschung
der Wahrheit geübt hatten. Einerseits bemühten sich die ver
schiedenen Schulen der katholischen Jesuiten, die wir unter der
gemeinsamen Bezeichnung des Thomasbundes zusammenfassen,
die scholastische Philosophie des heiligen Thomas von Aquino
neu zu beleben. Anderseits wetteiferten mit ihnen die orthodoxen
Schulen der evangelischen Jesuiten, die im Keplerbunde zu
sammentraten und den Namen des großen Astronomen Johannes
Kepler zur Verschleierung ihrer wahren Ziele mißbrauchten.
Das gemeinsame Ziel dieser beiden christlichen Bünde, die
trotz aller konfessionellen Gegensätze in einem großartigen Jesu
itenbund sich tatsächlich die Hände reichen, bleibt die.Unter
werfung der vernunftgemäßen Wissenschaft unter die traditionellen
Dogmen der christlichen Glaubenslehre. Sie glauben jetzt dieses
�9
jjZiel am sichersten zu erreichen, indem sie die Harmonie der beiden
•widersprechenden Weltanschauungen predigen, die „Schöpfung durch
Entwickelung“; als zweckdienliches Mittel dazu erscheint ihnen die
I Vernichtung des 1905 gegründeten Monistenbundes, der die
Verbreitung und den Ausbau der einheitlichen natürlichen Welt
anschauung sich zur Aufgabe gestellt hat.
Während der Jesuitenbund beider christlichen Konfessionen
in der eifrigen Verfolgung dieses Zieles die bewährten Trugkünste
des Jesuitismus ungescheut ausübt und die gefährlichsten Fäl
schungen der Wissenschaft begeht, hat er in echt jesuitischer Taktik
zu deren Verdeckung den Vorwurf gewissenloser Fälschung gegen
[ die Vertreter des Monismus selbst und ganz besonders gegen
mich erhoben. Er hütet sich aber wohl, die großen allgemeinen
Gegensätze klar gegenüberzustellen, und richtet statt dessen seine
Angriffe gegen einzelne Mängel meiner Darstellung; bald gegen
einzelne Lehrsätze und gewagte Hypothesen, bald gegen mangel
haft ausgeführte oder schematisch konstruierte Bilder, die zur
Illustration meiner populären Schriften dienen.
Die Fälschung der öffentlichen Meinung, die der Jesuitenbund
dabei ausübte, und die schmachvollen damit verknüpften Angriffe
auf meine Person und meine Lehre riefen in den letzten drei
Jahren zahlreiche Entgegnungen aus monistischen sowohl als aus
neutralen wissenschaftlichen Kreisen hervor. Die wichtigste davon
war die Leipziger Deklaration, in der (Mitte Februar 1908)
46 der angesehensten Deutschen, Österreicher und Schweizer Bio
logen für mich eintraten und den Kampf des Keplerbundes gegen
mich „auf das schärfste verurteilten“. (Vgl. unten Anhang,
S. 51.) Danach könnte dieser widerwärtige Kampf für erledigt
gelten; leider bin ich aber gezwungen, in dieser Schrift noch ein
mal das Wort zu ergreifen. In unglaublicher Weise haben die
wortführenden Jesuiten des Thomasbundes und des Keplerbundes
neuerdings versucht, die wirkliche Sachlage durch neue Fäl
schungen zu trüben und die sonnenklare Wahrheit zu entstellen.
Vor 300 Jahren zündete die Christliche Kirche (— die „Religion
der Liebe“ vertretend! —) die Scheiterhaufen an und verbrannte
die gefolterten freidenkenden Ketzer lebendig. Da ihr heute der
Kulturstaat dazu nicht mehr die dienstwillige Hand reicht, ver
folgt sie die verhaßten Freidenker mit anderen Mitteln, klagt sie
der „Fälschung der Wissenschaft“ an und schneidet ihnen in der
öffentlichen Meinung die Ehre ab. Wenn ich diesen Jesuiten im
„Kampf um die Wahrheit“ noch einmal entgegentrete, so geschieht
dies nicht sowohl, um meine persönliche, von ihnen so scharf an-
�IO
gegriffene Ehre zu verteidigen, als vielmehr in der Absicht, die
von ihnen getrübte Sachlage zu klären und das Recht der freien
Wissenschaft und Lehre gegenüber den hierarchischen An
maßungen der herrschsüchtigen Kirchenmacht zu wahren.
Jesuitenbund.
• Die merkwürdige Geschichte des Jesuitenordens und der
weltgeschichtliche Einfluß seiner Herrschaft sind allbekannt. Sprich
wörtlich ist der gleißende Lügengeist, der seinem ganzen System
zugrunde liegt, und der leitende Grundsatz: „Der Zweck heiligt
die Mittel.“ Sprichwörtlich ist die Zweideutigkeit des Aus
drucks und der geheime Vorbehalt (Reservatio mentalis"), welcher bei
allen Versprechungen und Zeugnissen, ja selbst bei heiligen Eiden
gewahrt wird; jede Wahrhaftigkeit im Verkehr wird dadurch un
möglich. Charakteristisch ist ferner der berüchtigte Probabilismus, d. h. die Lehre, daß in zweifelhaften Fällen, wo gleich ge
wichtige Gründe Für und Wider eine Frage vorgebracht werden,
dasjenige- als „wahrscheinlich“ richtig angenommen werden muß,
was auch nur ein einzelner angesehener Theologe für richtig er
klärt hat. Außerdem soll der sittliche Charakter jeder Handlung
durch die dabei zu gründe liegende Absicht bestimmt werden
(Methodus dirigendae intentionis}-, somit kann unter Umständen die
Übertretung jedes einzelnen Gebotes gerechtfertigt erscheinen.
Überhaupt ist jedes Vergehen, jedes Verbrechen erlaubt, wenn es
zur Förderung des höchsten Zweckes dient: „Alles zur größeren
Ehre Gottes“ („Omnia in majorem Dei gloriam“') (L. 4).
Als der spanische Offizier Ignatius von Loyola 1534 die
„Gesellschaft Jesu“ gründete, galt als Hauptzweck die Förderung
der katholischen Kirche und der Allmacht ihres Oberhauptes, des
Römischen Papstes, des „Stellvertreters Gottes auf Erden“. Ob
wohl nun der Jesuitenbund schwere Kämpfe zu bestehen hatte,
obwohl viele Bedenken wegen seines offenkundigen unmoralischen
Charakters erhoben wurden, und obgleich andere katholische Orden
ihm entgegentraten, stieg dennoch sein Ansehen und seine Macht
beständig. Den größten Einfluß gewann er durch die drei bedeu
tungsvollen Kriegserklärungen gegen die Vernunft, durch welche
der Papst Pius IX. die christliche Welt unter sein allgewaltiges
Szepter zu beugen versuchte: 1854 das Dogma von der unbe
fleckten Empfängnis Mariae, 1864 die Enzyklika und der Syllabus
(— ein absolutes Verdammungsurteil über die ganze moderne Zi
vilisation und Geistesbildung —), 1870 das Dogma der päpst-
�II
liehen Unfehlbarkeit (vgl. „Welträtsel“ Kap. 17). Durch die An
nahme dieser religiösen Gewaltakte wurde der ganze moderne
Katholizismus mit dem Jesuitismus identifiziert.
Die gefährliche „Jesuitische Wissenschaft“ hat schon
1904 (im Frankfurter „Freien Wort“, Nr. 22) R. H. Fr aneé sehr
treffend charakterisiert und dabei eine beachtenswerte Zusammen
stellung der hervorragenden Jesuiten gegeben, die gegenwärtig auf
den verschiedensten Gebieten der Naturwissenschaft eifrig tätig
¿nd. Sehr richtig findet er deren bedenkliche Gefahr „in einem
systematischen Einschwärzen des jesuitischen Geistes in die
Wissenschaft, in einer konsequenten Verdrehung aller Probleme
und Antworten, und in einer geschickten Untergrabung der Wissen
schafts-Fundamente; richtiger gesagt, die Gefahr liegt darin, daß
man sich ihrer nicht genügend bewußt ist, und daß die Öffent
lichkeit, ja sogar die Wissenschaft selbst, in die geschickt vorbe
reitete Falle geht, zu glauben, daß es eine jesuitische Wissenschaft
gibt, deren Resultate ernst genommen werden können.“ Alles das,
was hier France von dem katholischen Jesuitenbunde sagt (dem
„Thomasbunde“!), gilt ebenso von seinem evangelischen Glaubens
bruder, dem „Keplerbunde“. Denn die „Christliche Wissenschaft“
des letzteren ist ebenso falsch, wie die „J esuitische Wissenschaft“
des ersteren. Die beiden Namen von „Jesus Christus“ werden
von beiden gefährlichen Fälscherbünden in gleicher Weise für
ihre verderblichen Herrschaftszwecke mißbraucht.
Thomasbund.
Der mächtige Einfluß, den die Jesuiten seit drei Jahrhunderten
auch in der Wissenschaft erlangten, ist besonders darauf zurück
zuführen, daß sie frühzeitig die Philosophie des Thomas von
Aquino sich aneigneten, jenes großen Doctor angelicus, der um
die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts den Höhepunkt der Scho
lastik des Mittelalters bezeichnet (vom Papste heilig gesprochen
1323). Mit nachhaltigem Erfolge suchte dieser christliche Scho
lastiker die herrschende Philosophie des Aristoteles mit der ortho
doxen Kirchenlehre zu verschmelzen. Als Schüler des Albertus
Magnus bekennt er sich zwar im ganzen zu dessen Summa 'philoso'phiae naturalis, stellt aber darüber den Glauben an die Offen
barung, an solche übernatürliche Dogmen, welche durch die Ver
nunft nicht nachweisbar sind, z. B. die Dreieinigkeit Gottes. Der
Thomismus lehrt auch, daß die ^elt einen Anfang hatte und von
Gott aus Nichts geschaffen wurde. Der Neothomismus, die er-
�12
neuerte Thomas-Philosophie, hat in letzter Zeit zunehmend an Be
deutung gewonnen, besonders seitdem Papst Leo XIII. sie zur Grund
lage der katholischen Weltanschauung in allen Lehranstalten machte.
Da diese nun seit der Enzyklika ganz von den Jesuiten beherrscht
werden, erscheint es zweckmäßig, die Gesamtheit der katholischen
Jesuitenbünde unter dem Begriff des Thomasbundes zusammen
zufassen, im Gegensatz zu dem evangelischen Keplerbunde. Beide
verfolgen das gleiche Ziel, die Verschmelzung der christlichen
Glaubenslehren mit den Ergebnissen der modernen Wissenschaft;
mit anderen Worten: die Unterordnung der letzteren unter die
ersteren.
Zahlreiche katholische Vereine mit mehr oder minder ab
weichenden Färbungen können demnach zum Thomasbund im
weiteren Sinne gerechnet werden, so der Bonifaziusverein, der
Liguoribund (Redemptoristen), der Borromaeusverein, der Piusverein, die Leogesellschaft, die Goerresgesellschaft usw. Sie ent
falten eine sehr eifrige Tätigkeit in der Presse und suchen sich
namentlich der Lehren der modernen Naturwissenschaft zu be
mächtigen, um sie für ihre Zwecke auszubeuten und möglichst
unschädlich zu machen. Sehr gründlich hat der Jesuitenpater
Tilmann-Pesch in einem starken zweibändigen Werke „Die
großen Welträtsel (Philosophie der Natur) allen denkenden Natur
freunden dargeboten“ (Freiburg i. B. 1907); so ist veröffentlicht mit
Approbation des Erzbischofs Thomas (!) von Freiburg i. B. und des
deutschen Jesuitenpräfekten P. C. Schaeffer. Jetzt erscheint ein
umfangreicher „Grundriß der Biologie“ von dem Jesuiten Her
mann Muckermann (Freiburg i. B.).
Erich Wasmann. Unter den zahlreichen gelehrten Jesuiten,
welche gegenwärtig für den christlichen Offenbarungsglauben und
gegen die monistische Naturphilosophie kämpfen, erscheint der
Luxemburger Jesuitenpater Erich Wasmann (ein geborener Tiroler)
als die bedeutendste Persönlichkeit. Er zeichnet sich ebenso durch
ausgedehntes zoologisches Wissen, wie durch glänzende Beredsamkeit
und bestechende Dialektik aus. In den letzten sechs Jahren ist
er auch weiteren gebildeten Kreisen so bekannt geworden, daß
wir ihn als den ausgesprochensten Typus dieser katholischen
Naturphilosophie hier kurz besprechen müssen.
Als scharfsinniger und nachdenklicher Beobachter des Lebens
und der Formen der Insekten, ganz besonders der Ameisen, hat
sich Wasmann den Ruf eines kenntnisreichen Entomologen er
worben. Namentlich hat er eine Reihe vortrefflicher Beobachtungen
über das Leben der Ameisen und der in ihren Wohnungen sich
�13
ständig aufhaltenden Ameisengäste gemacht; besonders kleiner
Käfer, die durch Anpassung an diese besonderen Lebensbedingungen
Behr eigentümlich umgebildet sind. Solche entomologische Spezial
studien, bald mehr systematischer und morphologischer Richtung,
bald'mehr bionomischer und physiologischer Art, .sind sehr ver
dienstlich. Allein die wissenschaftliche Zoologie der Neuzeit
stellt an ihre Vertreter ganz andere Anforderungen; sie verlangt
vieliährige gründliche Studien in vergleichender Anatomie und
Ontogenie, in Paläontologie und Physiologie. Für jene Zoologen,
welche das interessanteste Gebiet der Tierkunde, ie
ir e tiere
zu ihrem Spezialstudium wählen, ist ein gründliches. Studium der
Medizin unerläßlich; aus dem einfachen Grunde, weil der mensc
liehe Organismus nach allen Richtungen hin uns viel genauer be
kannt ist, als jedes andere Tier. Sobald Wasmann sich auf dieses
weite Gebiet begibt und den engeren Kreis seiner Entomologie
verläßt, offenbaren sich erstaunliche Lücken seiner zoologischen
Bildung. Es machte daher auf alle wissenschaftlichen Vertreter er
Tierkunde einen wunderlichen Eindruck, als er neuerdings vqn
der ultramontanen Presse als ,,^r
Z°ol(W der.
gepriesen und hinzugefügt wurde: „Sem Name besitzt Weltruf,
und glänzende Beredsamkeit, verbunden mit streng wissenschaftlicher
Forscher arbeit, haben diesen Gelehrten zu einem der gedrehte ist en
Gegner des Monismus gemacht.“ (Augsburger Postzeitung r. 2 3
vom 12. November 1908.)
.
Durch diese Eigenschaften, verbunden mit fanatischem Re
ligionseifer, hat Wasmann im Thomasbund eine ähnliche Führer
rolle gewonnen, wie Dennert im Keplerbund. Beide sind un
ermüdlich und geschickt in der Agitation für die Christliche
Naturwissenschaft“, beide gleich rücksichtslos m der Wahl ihrer
Mittel beide gleich unüberwindlich, wenn es gilt, ihren blin
den Glauben durch, logische Vernunftgründe zu widerlegen.
Die wichtigste Schrift von Wasmann, welche die großen all
gemeinen Probleme der heutigen Naturphilosophie, den Kampf um
den Entwicldungsgedanken behandelt, erschien 1904 — („am Ignatiusfeste“ ! — Vorwort S. II —)i sie führt den Titel: ”Dle moderne
Biologie und die Entwicklungslehre“ (Freiburg i. B., 723 S.). Da
sie eine überraschende Anerkennung der letzteren ( frei ie in.ee. t
jesuitischer Weise zurechtgestutzt! —) enthält,, hatte ich sie in
meinen Berliner Vorträgen (1905) eingehend kritisiert (L. 4). Zwei
Jahre später erteilte Wasmann seine Antwort auf diese m drei Vor
trägen, welche er in Berlin über „Das Entwicklungsproblem“ hielt
(im Februar 1907). Diese Reden erlangten besonders dadurch em
�—
14
—
weiteres Interesse, daß sich, unmittelbar daran ein öffentlicher,
wissenschaftlicher Kampf knüpfte, ein vierstündiger „Diskussions
abend im großen Restaurationssaale des Zoologischen Gartens“ am
17. Februar 1907* In diesem Redekampfe sprachen gegen Wasmann
zwölf Redner (darunter mehrere sehr angesehene Naturforscher und
Mediziner aus Berlin). Obwohl diese ihn gründlich widerlegten
und der Jesuitenpater in seinen Gegenreden am Schluß (— ganz
den Grundsätzen seines Ordens entsprechend —) nur mit sophisti
schen Ausflüchten und dialektischen Kunstgriffen antworten konnte,
wurde doch von der gesamten ultramontanen Presse seine offen
kundige Niederlage als ein glänzender Sieg gefeiert. Professor
Ludwig Plate hat in einer besonderen Schrift den Gang dieses
Kampfes zwischen Kirche und Wissenschaft ausführlich geschildert;10
er kommt (S. 141) zu folgendem .Ergebnis:
Diskussionsabend
hat erstens gezeigt, daß echte Naturforschung auf dem Boden der
ultramontanen Kirche ausgeschlossen ist; zweitens ist der grelle un
versöhnliche Gegensatz zwischen naturwissenschaftlicher und orthodox
christlicher Weltanschauung scharf zutage getreten; und drittens hat
sich gezeigt, daß auch die Naturforscher sich der Grenze ihres Er
kennens wohl bewußt sind, und daß es letzte Fragen gibt, auf die
man keine Antwort erteilen kann, es sei denn eine solche des Glaubens“.
Diesem treffenden Urteil ist nun noch folgendes hinzuzufügen:
Alle Einwände, welche die voraussetzungslose Naturwissenschaft
gegen die mystische, im Dogma der christlichen Kirche befangene
Fälschung der Entwicklungslehre durch Erich Wasmann (als
Typus des „Thomasbundes“) erhebt, gelten in gleichem Maße für
dieselbe sophistische Entstellung der Genetik durch Eberhard
Denn er t (als Gründer des „Ke-plerbundes“}.
Wasmann hat zwei Jahre später seine vergeblichen Versuche,,
die „katholische Naturwissenschaft“ zu retten und damit den Mon
ismus zu vernichten, in Innsbruck wiederholt (am 14., 16. und 18.
Oktober 1909). Die drei dort gehaltenen Vorträge (— von der
ultramontanen Presse als große Siege des alleinseligmachenden Glau
bens gefeiert! —) geben im wesentlichen den Inhalt der drei
Berliner Vorträge wieder und unterscheiden sich nur dadurch, daß
sie noch stärkere Angriffe gegen mich persönlich und gegen meine
Anthropogenie und den Monismus enthalten. Auf diese Angriffeim einzelnen einzugehen, würde nutzlos sein; denn mit der aal
glatten, schlangenähnlich sich windenden Sophistik der Jesuiten
wird ein ehrlicher Wahrheitsforscher niemals fertig, gleichviel ob
sie die schwarze Mönchskutte des katholischen Thomasbundes oder
den schwarzen Talar des evangelischen Keplerbundes trägt.
�i,5
Keplerbund.
Der jüngere Bruder des katholischen Thomasbundes, der neue
evangelische Keplerbund, wurde am 25. November 1907 von einem
der eifrigsten Vertreter der „Christlichen Naturwissenschaft“ ge
gründet, Dr. Eberhard Dennert, Oberlehrer am evangelischen
Pädagogium zu Godesberg bei Bonn. Als Zweck des Bundes wird
tÄ seinem ersten Flugblatt angegeben: „Förderung der Näturwissenschaft in der Gesamtheit unseres Volkes, aber auch der Kampf der
Naturwissenschaft gegen den Monismus“. Daß letzterer der Haupt
tweck war, ergibt sich aus seiner Vorgeschichte, wie dem ganzen
späteren Verhalten. Schon im ersten Heft der Schriften des
Keplerbundes (S. 17) hat sein Gründer, Dennert, dies in folgenden
Worten hervorgehoben: „Die religiösen und sittlichen Gefahren, die
für unser Volksleben im atheistischen Monismus liegen, waren es,
welche den Ausgang für die Gründung lieferten.“ In der Vorrede
dieser Schrift (S. 1) sagt er ausdrücklich: „Die Mitglieder des
Keplerbundes stehen auf theistischem Boden.“
Auch an vielen anderen Stellen seiner zahlreichen Schriften
betont Dennert nachdrücklich den besonderen christlichen Cha
rakter seiner mystischen und dualistischen Weltanschauung. Ziel
und Zweck seines „Keplerianum“, eines speziell zu ihrer Verbreitung
gegründeten Lehrinstitutes, ist: „Der Aufbau und die Darbietung
einer christlichen Weltanschauung mit naturwissenschaftlicher Orien
tierung“ — und zugleich damit: „Die Zertrümmerung des falschen
naturphilosophischen Götzen, genannt Monismus“. („Die Naturwissen
schaft und der Kampf um die Weltanschauung. Ein Wort zur
Begründung des Keplerbundes“ S. 13, Hamburg 1908.)
Die geschickte Reklame, welche Dennert für seinen christ
lich orientierten Keplerbund durch zahlreiche Flugschriften und
Vorträge ins Werk setzte, sowie die mächtige finanzielle Unter
stützung von Seiten klerikaler und konservativer Kreise, haben ihm
in. kurzer Zeit eine große Anzahl von Mitgliedern zugeführt.
Außer kleineren Mitteilungen gibt er seit 1909 eine „Illustrierte
Monatsschrift zur Förderung der Naturerkenntnis“ heraus, unter
dem Titel „Unsere Welt“. Am deutlichsten sind die Ziele seiner
unermüdlichen Agitation in einer Schrift erkennbar, welche den Titel
führt: „Der Darwinismus und sein Einfluß auf die heutige
Volksbewegung“ (1907 in zweiter Auflage als 11. Heft von
„Christentum und Zeitgeist“ erschienen). Sie ist insofern inter
essant, als hier die „Lehren der christlichen Weltanschau
ung“ scharf formuliert und den „Lehren der darwinistisch-materia-
�i6
listischen Weltanschauung“ klar gegenübergestellt werden (S. 14
bis 16). Da erfahren wir über die erstere folgende grundlegenden
Sätze: „I. Die Welt ist zeitlich begrenzt und- von einem ewigen
'persönlichen Gott erschaffen. 2. Die Art und Weise, wie Gott
die Welt erschuf, ist uns nicht offenbart, tut auch gar nichts zur
Sache (/’). 3. Als Krone der Schöpfung schuf Gott den Menschen,
indem er irdischem Stoff seinen Geist verlieh und ihm sittliche
Freiheit schenkte. 4. Gott leitet und regiert diese Welt nach
von ihm gegebenen unveränderlichen Naturgesetzen. Eine Durch
brechung derselben von selten Gottes, ihres Schöpfers und Herrn, ist
denkbar, also auch möglich (!). 5. Der Mensch mißbraucht seine
Freiheit und stellt sich durch die Sünde mit seinem Schöpfer in
Widerspruch, so daß er den Tod erleiden muß. 6. Die geschichtliche
Entwickelung des Menschengeschlechts zeigt ein ewiges Schwanken von
Glück und Unglück, Frieden und Unfrieden, sittlichen Höhen und
Tiefen. Dies ist die Abspiegelung jenes Widerspruchs mit Gott; sie
hat ihren Grund in der Sünde. 7. Im Kampf mit der Sünde stellte
sich immer wieder heraus, daß der Mensch zu schwach ist, sie zu
überwinden. 8. Da schickte Gott Christus seinen Sohn zur Erlösung
des Menschengeschlechts. 9. Nun ist dem Menschen die Möglichkeit
geboten, sich der Versöhnung mit Gott zu versichern durch den Glauben
an den Opfertod Christi. 10. Diese Versöhnung mit Gott findet ihren
Abschluß in einem Leben jenseits des Todes.“
Diese zehn Thesen bilden den Inhalt des ,,Kepler-Kate
chismus“, durch welchen Dennert als „Wissenschaftlicher Direktor
des Keplerbundes“ dessen christlicher Weltanschauung ein festes
Fundament geben will. Jeder unbefangene Denker sieht sofort,
daß dieser Katechismus nicht auf dem festen Grunde der natur
wissenschaftlichen Erfahrung ruht, sondern auf mystischer Offen
barung, die ihr direkt widerspricht. Er ist ein theologisches
Glaubensbekenntnis, dessen Grundlagen die mittelalterlichen Dogmen
der christlichen Religion bilden. Während Dennert ,,die christliche
Weltanschauung naturwissenschaftlich zu orientieren“ sucht, wollen
andere Mitglieder des Keplerbundes umgekehrt „die Naturwissen
schaft christlich orientieren“. Beides kommt auf dasselbe hinaus.
Ob ich ein halbes Glas Wein in ein halbes Glas Wasser gieße,
oder umgekehrt, ist für die Mischung ganz gleichgültig.
Der Keplerbund nennt sich nach dem Namen des berühmten
Astronomen Johannes Kepler, weil er in ihm „eine vorbildliche
Verbindung echter Naturwissenschaft und tiefer Religiosität erblickt .
Eine gewaltige Täuschung! Denn die monumentale Größe Keplers
beruht bekanntlich in der Aufstellung der drei fundamentalen
�—
U
—
Gesetze der Planetenbewegung (1609—1619); dadurch wurde
er der Vollender des heliozentrischen neuen Weltsystems des
Nikolaus Kopernikus, welches die alte (vom Christentum an
genommene) geozentrische Weltanschauung vernichtete (1543); er
wurde zugleich Vorläufer des großen Isaak Newton, der in
seinen „Philosophiae naturalis principia mathematica“ (1687) die
physikalische Astronomie mathematisch begründete. Diese drei
großen Astronomen errichteten auf dem untrüglichen Fundamente
der Mathematik den festen physikalischen Bau unserer modernen
monistischen Weltanschauung; sie zerstörten dadurch die herr
schende dualistische Theosophie und die Macht des Wunderglaubens,
für welche der evangelische Keplerbund eintritt. Wenn dieser
Gegner des Monismus sich trotzdem mit dem Namen Kepler
schmückt, so ist das dieselbe Fälschung, die der katholische
Jesuitenbund mit dem Namen Jesus sich erlaubt. Bekanntlich
ist die infame Ethik und Politik der Jesuiten das Gegenteil der
milden und humanen Sittenlehre, die im Evangelium von Jesus
gepredigt wird. Die klare Naturphilosophie von Kopernikus,
Kepler und Newton ruht auf dem unerschütterlichen Grunde
der Mathematik und Mechanik; ihre bleibenden monistischen
Prinzipien werden nicht durch den Umstand erschüttert, daß diese
drei großen Männer daneben noch zeitweilig mystische Ideen hegten
und hinter ihren Naturgesetzen einen übernatürlichen „Gesetz
geber“ suchten und bewunderten. Die „tiefe Religiosität“, die
der Keplerbund darin erblickt, nehmen wir auch für unsere moni
stische „echte Naturwissenschaft“ in Anspruch, ohne daß wir in
unserem allumfassenden Naturgott ein anthropoides Wesen suchen.
Fälscherbund. In meiner Erklärung vom 24. Dezember 1908:
„Fälschungen der Wissenschaft“ (— veranlaßt durch die scharfen
Angriffe von Brass und von Tartüffe —) hatte ich die jesuitischen
Anklagen meiner Gegner wahrheitsgemäß beleuchtet und den
evangelischen Keplerbund demgemäß als „Naturphilosophischen
Fälscherbund“ bezeichnet. Diese Charakteristik ist für ihn ebenso
gerechtfertigt wie für den katholischen Thomasbund; denn Ziele
und Wege sind in beiden gleich. Das Kuratorium des Kepler
bundes (Fürst zu Salm- Hors tmar und Geheimer Justizrat Zorn)
wiesen in einer Erklärung vom 12. Januar 1909 diesen Vorwurf
fiilt Entrüstung zurück und bezeichneten ihn als eine „Ungeheuer
lichkeit“. Ich erlaube mir diesen Herren gegenüber die Anfrage:
Ist es keine Ungeheuerlichkeit, wenn die führenden Autoren des
Keplerbundes — auf die falschen Anklagen des Dr. Brass hin! —
such in zahlreichen Artikeln und Broschüren als wissenschaftlichen
Haeckel, Sandalion.
2
�—
18
—
„Fälscher und Betrüger“ beschimpfen? — einen Naturforscher,
der (ungeachtet vieler Irrungen und Versehen) durch ein halbes Jahr
hundert mit persönlicher Aufopferung nur das eine Ziel verfolgt
hat, in der Natur die Wahrheit zu erkennen und durch ihre
Lehre die denkende Menschheit vom Joch des Aberglaubens zu
befreien? Selbstverständlich habe ich mit dem schweren Vorwurfe
der Fälschung nicht einzelne Personen treffen wollen, sondern
die beiden Jesuiten-Bünde als solche, ihr verwerfliches System!
In jedem Bunde, in jedem Vereine, in jeder Partei gibt es gute und
schlechte, ehrliche und falsche Mitglieder, wie das ja auch bekannt
lich von jeder politischen Partei gilt. Die Hauptmasse besteht
gewöhnlich aus solchen Personen, die nicht gründlich über die
Aufgaben und Wege des Bundes unterrichtet sind, und die bei
ihrer unvollständigen Sachkenntnis sich durch Autoritätsglauben
oder Gewohnheit, durch äußere Einflüsse oder eigennützige Motive
bestimmen lassen. Das gilt von unserem naturalistischen Monisten
bund ebenso wie von dem dualistischen Jesuitenbund. .
Die großartige Fälschung des Weltbildes, die wir bei en
Jesuitenbünden vorwerfen, besteht darin, daß sie die monistischen
Ergebnisse der modernen Naturwissenschaft mit den mystischen
und dualistischen Dogmen der wundergläubigen Kirche verschmelzen
wollen. Diese angestrebte „Harmonie von wissenschaftlicher Er
fahrung und göttlicher Offenbarung“ ist seit Jahrhunderten in za
reichen Schriften ganz vergeblich versucht worden; so auch m dem
neuesten jämmerlichen Produkt des Keplerbundes: „Natur und Bibel
in der Harmonie ihrer Offenbarungen“, herausgegeben von dem
Astronomen Johannes Riem (Hamburg 1910).
.
.
Dr Rudof Hoernes, Professor der Paläontologie und Geologie
in Graz, hat in zwei vortrefflichen Aufsätzen der zu Graz erschei
nenden „Tagespost“ eine scharfe und sehr treffende Kritik des
KeplSe:±egÄ in Nr. rS5 (vom 7. Juli r909) ist teilweise
wiedergegeben in Nr. 9 der von Breitenbach redigierten „Neuen
Weltanschauung“ (l9o9, S. 345). Da heißt es: „Den
Keplerbund ist es weder um die Freiheit der Wissenschaft, noch um
den Dienst der Wahrheit zu tun, sondern nur um die Befestigung
der weltlichen Vorherrschaft der Kirche, zu welchem Zwecke
ihnen fenes Mittel dienen soll. Und da sie recht gut die Gefahr er
kennen, welche die Verbreitung naturwissenschaftlicher Erkenntnis1
den breiten Schichten des Volkes für ihre Bestrebungen hat, so suchen
sie die Brunnen zu vergiften, aus welchen jene Erkenntnis qull ■
Es ist nun gewiß merkwürdig, daß orthodoxe Protestanten und Jesuiten
�19
♦
gerade den Namen Keglers auf ihre Fahne schreiben wollen. Beide
(die orthodoxen Protestanten vielleicht mehr als die katholischen
Jesuiten!) haben Kegler, als er noch auf Erden wandelte, in der
niederträchtigsten Weise verfolgt und geschädigt, und jetzt wollen
sie den Namen des unsterblichen Naturforschers als Aushängeschild
für ihre unlauteren Bestrebungen mißbrauchen. Das ist die reinste
Bauernfängerei!“
Der zweite Aufsatz von Professor Ho er n es (in Nr. 237 der
Grazer Tagespost, vom 27. August 1909) ist abgedruckt in Nr. 41
des „Monismus“ (Berlin, November 1909, S. 507); er trägt den
Titel „Im Interesse der Wissenschaft“, und wendet sich speziell
gegen die jesuitische Broschüre, welche Teudt kurz zuvor unter
demselben Titel hatte erscheinen lassen (Heft 3 der Schriften des
Keplerbundes). Indem sich Hoernes der Leipziger Deklaration
der 46 Zoologen „in ihrem ganzen Inhalt anschließen muß“, be
merkt er, daß die von Teudt daran geübte Kritik keiner ein
gehenden Widerlegung würdig sei. In betreff meiner angeblichen
„Fälschung von Embryonenbildern“ sagt er: „In Wahrheit handelt
es sich der Direktion des Keflerbundes darum, durch die Diskredi
tierung eines der hervorragendsten Vertreter der Entwicklungstheorie
dieser selbst einen möglichst großen Schaden zuzufügen; zum mindesten
die Verbreitung der ihrer Weltanschauung unbequemen Lehre in Laien
kreisen, um welche sich Haeckel ganz besonders verdient gemacht hat,
so weit als möglich zu hindern.“ Auch die „bedenkliche Überein
stimmung mit dem sattsam bekannten Jesuiten Wasmann“ wird
treffend hervorgehoben.
Die jesuitische Presse. Der schwere Kampf mit der klerikalen
und konservativen Presse, zu dem ich seit mehr als 40 Jahren
gezwungen bin, hat mich mit bemerkenswerten Erfahrungen über
ihre jesuitische Taktik und Praxis bereichert. Da diese sich in
den letzten Jahren bei Gelegenheit des Embryonenkampfes mit
besonderer Brutalität und Perfidie äußerte, mögen hier einige Hin
weise darauf gestattet sein. Die beiden polemischen Broschüren
von Dr. Arnold Brass („Wahrheit“ 1906 und „Affenproblem“
1908) wurden von allen Feinden des geistigen Fortschritts und der
Aufklärung sofort mit Jubel begrüßt und fanden durch Korrespon
denzen der reaktionären Presse die weiteste Verbreitung. Die
Kreuzzeitung und die Deutsche Tageszeitung, die Staatsbürger
zeitung und die Augsburger Postzeitung, das Reich und der Reichs
bote, die Germania und die Kölnische Volkszeitung, das Bayerische
und das österreichische Vaterland, ebenso Hunderte von größeren
und kleineren Zeitschriften verbreiteten alsbald die falschen An2*
�20
klagen von Brass in alle Welt — teils im Wortlaut, teils mit Zu
taten aller Art gewürzt. Keinem dieser Blätter fiel es ein, diese
„vernichtenden“ Fälschungsanklagen auf ihren Wahrheitsgehalt zu
untersuchen oder wissenschaftlich gebildete Sachverständige deshalb
zu befragen. Die sachlichen Aufklärungen und Berichtigungen aber,
welche die letzteren an verschiedenen Orten gaben, wurden von
jener Presse ignoriert. Dagegen wurden mit sichtlichem Behagen
immer wieder die „vernichtenden“ Anklagen von Dr. Brass wieder
holt, die in dem Satze gipfelten: „Haeckel hat an der Wissenschaft
das schwerste Verbrechen begangen, dessen sich ein Forscher
schuldig machen kann.“ (Vgl. unten S. 45 die „Stichproben“.)
Sehr zu bedauern ist es, daß auch ein großer Teil der liberalen
Presse, getäuscht durch jene Jesuitentaktik, sich vielfach irreführen
ließ, und daß auch viele unbefangene Blätter jenen schweren An
schuldigungen ohne weiteres Glauben schenkten und sie weiter ver
breiteten. Schuld daran ist hauptsächlich die Unbekanntschaft
mit den biologischen Tatsachen, um welche sich der Embryonenkampf drehte. Sehr schlau und mit großem Erfolge hatte Dr. Brass
— als der anerkannte „sachverständige Kronzeuge des EmbryonenProzesses“ — seine Anklagen auf ein dunkles Gebiet verlegt, das
den meisten Gebildeten ganz fern liegt, und dessen Verständnis
selbst den geschulten Naturforschern besondere Schwierigkeiten
bereitet. Nur wenige finden sich in der umfangreichen embryo
logischen Literatur zurecht. Als ein Beispiel, wie sehr sich die
liberale Presse dabei täuschen ließ, mag hier der vielbesprochene
Fall „Tartüffe“ angeführt werden.
Professor Tartüffe. Nachdem Arnold Brass 1908 seine Schmäh
schrift über „Das Affenproblem“ veröffentlicht hatte, erfolgte in
Nr. 38 der Münchener „Allgemeinen Zeitung“ (vom 19. Dezember
1908, S. 823) eine anonyme Besprechung derselben, die H. Schmidt
in seinen „Dokumenten“ auf S. 10 abgedruckt hat. Ich muß des
halb hier besonders darauf eingehen, weil sie die unmittelbare Ver
anlassung zu meiner Entgegnung vom 24. Dezember wurde und
eine lange Kette von Streitigkeiten hervorrief. Der Schwerpunkt
dieses „Tartüffe-Artikels“ (wie ich ihn nennen mußte!) liegt darin,
daß der anonyme Professor Dr. X. die „außerordentlich schweren
Anschuldigungen“ des Dr. Brass für bewiesen ansieht und daraus
(— „mit Widerstreben“! -—) folgert: „Sie vernichten nicht nur
das Forscher ansehen und die Ehre eines bisher trotz mancher Ent
gleisungen in weiten Kreisen hochangesehenen Mannes, sondern sie
würden auch geradezu einen „Schandfleck der Deutschen Wissen
schaft“ auf decken“ (!).
�21
Die weiteren Ausführungen des anonymen „Tartüffe“, die
Berufung auf die Urteile der Deutschen Embryologen (— „um seiner
und der Deutschen Wissenschaft Ehre willen“ —) waren so perfide
und jesuitisch, daß ich dadurch zu meiner Entgegnung vom
24. Dezember geradezu gezwungen wurde. Dazu trat nun noch
folgendes Motiv. Die Redaktion der Münchener „Allgemeinen
Zeitung“ sandte mir aus Berlin (am 21. Dezember) den fraglichen
„Tartüffe“-Artikel mit folgendem charakteristischen Begleitschreiben:
„Eurer Exzellenz, gestatten wir uns die neueste Nummer der
„Allgemeinen Zeitung“ ergebenst zu übersenden, da sie eine Mitteilung
enthält, die sich mit Arbeiten Eurer Exzellenz befaßt. Wir möchten
nicht “verfehlen zu betonen, daß wir nur schweren Herzens diese Zu
schrift aufgenommen haben, und auch nur darum, weil sie von einer
Seite stammt, die ebensosehr hinsichtlich der wissenschaftlichen Sach
kenntnis, wie der Loyalität der Gesinnung über jeden Zweifel er
haben dasteht. Da die erörterte Frage in wissenschaftlichen Kreisen
anscheinend nicht zur Ruhe kommen will, möchten wir ergebenst an
regen, ob nicht Eure Exzellenz sich mit den Vorwürfen in einem kurzen
Artikel beschäftigen möchten, für den wir natürlich die Allgemeine
Zeitung gern zur Verfügung stellen, da die Entgegnung bei uns zu
den einschlägigen Fachkreisen gelangen würde.“
Jedem ehrlichen und unbefangenen Zuschauer dieses erbitterten
Kampfes bleibt es überlassen, sich selbst ein Urteil über das folgen
schwere Verfahren der Redaktion der Allgemeinen Zeitung zu
bilden. Es sind aber folgende vier Punkte dabei ganz besonders
zu berücksichtigen: 1. Die Redaktion der M. A. Z. betont, daß
sie nur „schweren Herzens“ die Zuschrift des anonymen
Professors X. aufgenommen habe, die nach dessen eigenen Worten
„nicht nur das Forscheransehen und die Ehre eines in weiten
Kreisen hoch angesehenen Mannes (E. H.) vernichtet, sondern auch
geradezu einen Schandfleck der deutschen Wissenschaft
aufdeckt“. — 2. Die Redaktion der M. A. Z. nimmt diesen perfiden
Artikel nur darum auf, weil er „von einer Seite stammt, die
ebensosehr hinsichtlich der wissenschaftlichen Sachkenntnis (!),
wie der Loyalität der Gesinnung über jeden Zweifel erhaben
dasteht“ (!). — 3. Die Redaktion der M. A. Z. „regt ergebenst
an“, ob ich mich nicht „mit den Vorwürfen in einem kurzen
Artikel beschäftigen möchte, für den sie natürlich die Allgemeine
Zeitung gern zur Verfügung stellt“. — 4. Die Redaktion der
M. A. Z. legt mir (mit Schreiben vom 21. Dezember 1908) die
Nr. 38 ihrer internationalen Wochenschrift (— erschienen am
19. Dezember! —) am 22. Dezember auf den Weihnachtstisch
�22
und sorgt dafür, daß der lügenhafte darin enthaltene Tartüffe"
Artikel sofort durch eine Korrespondenz in alle Welt verbreitet wird.
Schon in den nächsten Tagen (zur Feier des heidnischen „Sonn
wendfestes“!) hatte ich das Vergnügen, ihn in zahlreichen Blättern
aller Richtungen abgedruckt zu sehen, mit kritischen Zutaten der
merkwürdigsten Art — helle Schadenfreude bei meinen klerikalen
und reaktionären Feinden, schmerzliches Bedauern bei meinen frei
denkenden und liberalen Freunden. Es war sehr natürlich, daß
ich von dem gütigen Anerbieten der loyalen Redaktion der
M. A. Z., eine Entgegnung in ihre Wochenschrift (—also frühe
stens acht Tage später! —) aufzunehmen, keinen Gebrauch machte.
Ich habe ihr überhaupt nicht geantwortet; sondern ich sandte
meine Entgegnung am 24. Dezember an die Redaktion der Ber
liner „Volkszeitung“, da deren Redakteur, Herr Vollrath, mir
seit langer Zeit bekannt und einer der wenigen liberalen Zeitungs
leiter in Berlin ist, die sich um Verbreitung und Förderung der
Entwicklungslehre verdient gemacht haben.
„Fälschungen der Wissenschaft.“ Die notgedrungene Ver
teidigung gegen das „Brass-Tartüffe-Konsortium“, die ich am
24. Dezember 1908 unter obigem Titel in Nr. 607 der „Volks
zeitung“ veröffentlichte (abgedruckt in den „Dokumenten“ von
Dr. Heinrich Schmidt S. 12), erscheint mir heute selbst unbe
friedigend; ich habe sie nachträglich sehr bedauert. Ich war
damals seit längerer Zeit sehr krank und zu ruhiger literarischer
Diskussion unfähig. In der begreiflichen Empörung über den
nichtswürdigen Artikel des Herrn „Tartüffe“, und seine „loyale“
Protektion durch die Redaktion der „Allgemeinen Zeitung“, ge
drängt durch zahlreiche indignierte Zuschriften von befreundeten
Seiten, ließ ich mich zu heftigen Äußerungen tiefster Entrüstung
hinreißen, die ich zu anderen Zeiten bei voller Gesundheit viel
besser und treffender formuliert haben würde. Verhängnisvoll
wurde mir besonders das ironische „Reumütige Geständnis*
(— Zeichnungen „gefälscht“ zu haben! —), das viele flüchtige
Leser unbegreiflicherweise für ernst nahmen.
Der Sturz Haeckels. (Eine Abrechnung von Hugo Jüngst,
Leipzig 1910.) Zu den seltsamsten Figuren, welche dem Jesuiten
bunde Gefolgschaft leisten, gehört ein „modernster Dichter“, dem
ich hier wenigstens einige Zeilen des Dankes widmen muß. Unter
obigem Titel hat kürzlich Herr Hugo Jüngst ein Pamphlet von
20 Seiten herausgegeben, dessen Zweck lediglich sein soll: „‘Tausen
den Gelegenheit zu geben sich an der Hand einer unverblümten Dar
stellung mit dem Fall Haeckel innerlich auseinanderzusetzen“ (S. 20).
�23
Ich bin kein Naturforscher in wissenschaftlichem. Sinne. Aber ich
’ in ein treuer Anhänger Haeckels gewesen uni habe ein Jahrzehnt
b
hindurch im Banne der Unerschütterlichkeit seiner Lehren gestanden
Dieser Bann ist gebrochen!" - Warum? Emzrg und allem, wer
Herrn Jüngst aus meiner Erklärung (vom 24. Dezember 1908)
Fälschungen der Wissenschaft“ den sehr wunderbaren Schluß
zieht daß ich „nach langem Drehen und Wenden die Fälschung
angeblich wissenschaftlicher Beweisstücke zugeben mußte“. Herr
Jüngst hält also mein „Reumütiges Geständnis“ (a. a. O.) für ernst,
und sieht nicht, daß es rein ironisch ist — was aus dem ganzen
Zusammenhang sich sofort ergibt und was jeder klar denkende
Leser erkennen muß. Er erklärt zwar den ganzen „Embryonenkampf“ für eine „allgemeine Kultur angelegenh eit, an der die gesamte
gebildete Weit in weitgehendstem Maße interessiert ist“ (S. i); er ist
aber so wenig mit dessen Gang bekannt, daß er nicht einmal die
vielbesprochene Leipziger Erklärung der 46 deutschen Professoren
der Anatomie und Zoologie (vom Februar 1909) kennt, welche
dea Kampf — gegen Brass und den Keplerbund — zu meinen
Gunsten entscheidet. Ganz naiv erklärt er (S. 14): „Eine Gegen
erklärung der betroffenen Kreise ist mir bis heute Juni 191Ö) nicht
zu Gesicht gekommen.“ Übrigens geht aus dem ganzen Zusammen
hang seines oberflächlichen Phrasenbündels klar hervor, daß es ihm
besonders um den religiösen Kampf gegen „das öde Rechenexempel
des Materialismus“ (— d. h. „Monismus“! —) zu tun ist, noch
mehr aber um die Reklame seiner Gedichte: „Seelenakkorde und
Flammenzeichen“. Auf dem Umschläge des „Sturzes“ werden
sie von der „Berliner Antiquitäten-Rundschau “ mit folgenden
Worten angepriesen: „Wer die Flammenzeichen kauft um sechzig
Pfennige, wird um Pausende edelsten Goldes reicher!“ Warum sich
Herr Jüngst als „bisherigen Anhänger Haeckels“ ausgibt, ist bei
seiner gründlichen Unkenntnis meiner Schriften nicht ersicht
lich. Die Jesuitenpresse hat aber diese unglaubliche und lächer
liche Konversion sofort benutzt, um daraus gegen mich eine neue
„Vernichtung“ auszuklügeln.
Fälschungen von Arnold Brass.
Die ergiebigste Quelle der zahlreichen Anklagen, welche die
Jesuitenpresse seit einigen Jahren wegen angeblicher Bilderfälschungen
gegen mich richtet, ist Dr. Arnold Brass. So ungern ich auch
den persönlichen Charakter meiner Gegner berühre, so bin ich
doch in diesem Falle dazu gezwungen. Denn Brass gilt als der
�24
sachverständige Kronzeuge des großen „Embryonen-Prozesses“; auf
seine Autorität gründen sich die zahlreichen, gegen mich er
hobenen „Fälschungsanklagen“. Er zeichnet sich vor den meisten
übrigen Naturforschern des Keplerbundes durch eigenartige Kennt
nisse in den Gebieten der Zoologie und Anthropologie, der ver
gleichenden Anatomie und Ontogenie aus; aber er mißbraucht
diese in ausgiebigster Weise, um die Erkenntnis der Wahrheit zu
verschleiern (—oder wie er angibt, zu „fördern“—). Brass wird
daher auch von der ganzen klerikalen Presse, und speziell von den
Kepleristen-Blättern als derjenige „große Naturforscher“ gefeiert,
der als heiliger Ritter Georg den ungläubigen Drachen „Monismus“
getötet und neben dem persönlichen Gott dessen „Ebenbild“,
den Menschen mit seinem unsterblichen Geiste, gerettet hat.
In vielen Zeitungsartikeln, welche sich mit diesem Kampf be
schäftigen, wird irrtümlich die Behauptung wiederholt, daß Dr.
Brass sich seit langer Zeit in einem wissenschaftlichen Streite mit
mir befinde und daß er mich gründlich geschlagen habe. Dem
gegenüber muß ich zunächst feststellen, daß ich bis vor zwei Jahren
niemals Veranlassung hatte, mich mit ihm überhaupt zu befassen.
Denn die zahlreichen kleinen Arbeiten von Brass sind so un
bedeutend, daß sie keine Spur in der Wissenschaft hinterlassen
haben, und seine Atlanten der menschlichen Anatomie und Ge
webelehre, der vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte
sind so minderwertig und fehlerhaft, daß Professor Carl Rabl in
Leipzig seine Zuhörer geradezu vor letzteren warnen mußte.
Im Sommer 1906 veröffentlichte Brass eine Broschüre von
96 Seiten unter dem Titel: „Ernst Haeckel als Biologe und
die Wahrheit“ (Stuttgart 1906; ich zitiere sie im folgenden als:
„Brass, Wahrheit“"). Sie enthält die schärfsten Angriffe auf meine
monistische Naturphilosophie, (besonders in den „Welträtseln“) und
ist voll von Entstellungen und Unwahrheiten. Ich habe sie
damals ignoriert, wie zahlreiche andere Kampfschriften gegen die
„Welträtsel“. Brass entgegenzutreten wurde ich erst zwei Jahre
später gezwungen, nachdem er (am 1. April 1908) in einer Ver
sammlung der christlich-sozialen Partei in Berlin geredet und mich
scharf wegen gefälschter Embryonenbilder angegriffen hatte: „Der
Redner konnte hier aus allergenauester 'persönlicher Kenntnis sprechen,
da er die richtigen Zeichnungen seinerzeit selbst für Haeckel her
gestellt habe“\ So stand in der „Staatsbürgerzeitung“ und vielen
anderen Blättern zu lesen. Kein Wort davon ist wahr! Erst
durch diese schwere Verleumdung wurde ich zu einer öffent
lichen Richtigstellung des Sachverhalts genötigt und später zu der
�25
Erklärung vom 24. Dezember 1908, auf die ich noch zurückkommen
muß. Darauf antwortete dann Brass in einer zweiten Schmäh
schrift von 88 Seiten, die 1909 in zweiter Auflage erschien, betitelt:
„Das Affenproblem, Professor Ernst Haeckel, seine Fälschungen
der Wissenschaft und ihre Verteidigung durch deutsche Anatomen
Und Zoologen“ (86 Seiten, Leipzig). Die Wechselfälle des wider
wärtigen Kampfes, der sich daran knüpfte, erläutert und belegt
mit den wichtigsten Aktenstücken, sind dargestellt in der „DokuTzz^Tztezz-Broschüre“ von Dr. Heinrich Schmidt.
Da Arnold Brass jetzt sowohl von der katholischen als von
der evangelischen Jesuitenpresse als „einer der größten Zoologen
der Gegenwart“ gerühmt wird (— ein bedenklicher Rivale für
Wasmann! —), und da ich selbst nach ihrer Ansicht von diesem
„ebenbürtigen Gegner“ vernichtet bin, sehe ich mich gezwungen,
wenigstens einen Teil seiner Fälschungen zu beleuchten. Vor allem
aber ist es notwendig, die eigentlichen Ziele und Mittel seiner ge
hässigen Polemik klar zu beleuchten. Der unparteiische Leser, der
beide Gegner nicht kennt, dürfte vermuten, daß sich dahinter eine
persönliche Feindschaft verbirgt. Das ist durchaus nicht der Fall.
Die Person von Dr. Brass ist mir ganz gleichgültig. Das wahre
Ziel seiner pöbelhaften Angriffe ist einerseits Förderung seiner
Stellung durch den Keplerbund, andrerseits Reklame für seine
Person! Und ich muß ihm die Anerkennung lassen, daß »er dieses
Ziel mit erstaunlichem Erfolge erreicht hat — ähnlich wie vor
einem Jahre der berüchtigte Peter Ganter mit seinen Tausenden
von „blauen Briefen“, in denen er seine ,,doppelte Moral“ emp
fiehlt. Brass selbst erzählt in seinen Schmähschriften ausführlich
Und mit tiefem Schmerz, daß alle seine Bemühungen, eine Professur
der Zoologie zu erhalten, vergeblich gewesen seien. Dabei dichtet
er mir noch eine besondere Schuld an („Affenproblem“ S. 39):
„Im Jahre 1886 habe ich in Marburg Habilitationsschriften über
die Säugetiere eingereicht. Diese Kühnheit hat Haeckel und Andere
damals arg in Zorn versetzt.“ — Gegenüber dieser Erfindung
von Brass kann ich nur erklären, daß ich weder damals noch später
davon etwas gewußt habe. Ich muß aber noch hinzufügen, was
Professor Richard Hertwig in seiner offenen Antwort an Baron
von Pechmann (am 23. Februar 1909) sagt: „Meine Entrüstung
(— über die Provokation des Ke'plerbundes —) war umso leb
hafter, als ich dem Namen Brass zum erstenmal wieder begegnete,
nachdem die wissenschaftliche Tätigkeit des Mannes auf dem Gebiete
der Zoologie vor 25 Jahren mit einem Mißerfolg ihr verdientes
Ende gefunden hatte.“ (H. S. Dokumente, S. 62.)
�2Ö
Als offizieller Wanderredner des Keplerbundes ist Dr.
Arnold Brass sehr tätig. Eine authentische,,Mitteilung des Kepler
bundes“ (vom Februar 1909) empfiehlt ihn mit folgenden Worten:
„Im Auftrage des Keplerbundes hält der durch seine zoologischen,
anatomischen und optischen Spezialarbeiten bekannte Naturforscher
Herr Dr. Arnold Brass Vorträge aus denjenigen Gebieten der
N aturwissenschaft, welche in unseren Tagen das größte Interesse er
wecken und vielfach in tendenziöser Weise dargestellt und mißbraucht
werden. — Die im Laufe dieses und des vorigen Winters in zahl
reichen Städten gehaltenen Vorträge fanden stets in vollbesetzten, oft
in überfüllten Sälen statt; in vielen Fällen wurde noch ein Überschuß
über die Kosten des Vortrags erzielt. Das Herrn Dr. Brass zu
stehende Honorar ist ihm bundesseitig garantiert“ (!) — Es
ist wichtig, diese offizielle Erklärung des evangelischen JesuitenBundes festzunageln. Denn in demselben Jahre 1909 gibt Brass
selbst folgendes Bekenntnis ab: „Außerdem bin ich frei und lasse
mich von Niemandem zu Vorträgen, Verteidigungen usw. bestimmen.
Ich bin weder W anderre dner des Keplerbundes, noch beziehe ich von
dieser Vereinigung irgendweiches Gehalt oder UnterStützungen.“
({Ieudt, Tm Interesse der Wissenschaft, igog, S. 63.) Das ist die
vielgepriesene christliche Wahrheitsliebe der frommen Kepleristen!
Wir können es Herrn Teudt und Herrn Brass selbst überlassen,
ihren flagranten Widerspruch zu lösen!
Die zahlreichen offenkundigen Unwahrheiten in den Schriften
und Vorträgen des Herrn Dr. Arnold Brass sind zum Teil bloße
Irrtümer, auf mangelhafter Kenntnis der Tatsachen und oberfläch
licher Bildung beruhend; zum andern Teil sind es sophistische Ent
stellungen der Verhältnisse, echt jesuitische Trugschlüsse (— „zur
größeren Ehre Gottes“! —); zum großen Teil endlich sind es be
wußte Unwahrheiten, die man im gewöhnlichen Leben Lügen zu
nennen pflegt. Es würde ein dickes Buch geben, wollte man alle diese
„Irrtümer“ untersuchen, richtig stellen und widerlegen. Ich ver
zichte auf diese widerwärtige Arbeit, die gegenüber einem JesuitenKonsortium ganz nutzlos sein würde. Vielmehr beschränke ich mich
auf kritische Beleuchtung einiger wenigen Fälle, die jedem Ehrlichen
und Einsichtigen ohne weiteres klar sind.
Skelette von Menschenaffen! Wenige Betrachtungen wirken
so unmittelbar überzeugend für die nahe Verwandtschaft von
Mensch und Menschenaffe, wie die kritische Vergleichung ihrer
Skelette. Es war daher ein sehr glücklicher Gedanke des genialen
Thomas Huxley, daß er in seiner grundlegenden Abhandlung
über „Die Stellung des Menschen in der Natur“ (1863) auf dem
�27
Titelbilde die Skelette des Menschen und der heute noch lebenden
vier Menschenaffen (Gorilla, Schimpanse, Orang, Gibbon) neben
einander stellte. Ich habe 1874 diese höchst instruktive Tafel in
meiner Anthropogenie kopiert (VI. Aufl. 1910, $• 672). Später
habe ich in meinen Berliner Vorträgen über den „Kampf um den
Entwicklungsgedanken“ (1905, S. 40, Tafel II) dieselbe durch eine
ähnliche Tafel ersetzt, welche die gleichen fünf Skelette nach guten
Exemplaren meiner eigenen Sammlung darstellt. Absichtlich habe
ich von Schimpanse und Orang jüngere Personen gewählt, weil
bei ihnen die Menschenähnlichkeit mehr hervortritt, als bei älteren.
Die Skelette sind von meinem bewährten Mitarbeiter Herrn Adolf
Giltsch photographisch aufgenommen; weder er noch ich
haben an den Bildern irgendwelche Veränderung der Form oder
der Stellung vorgenommen.
Was sagt nun Herr Brass zu diesen klaren, vollkommen natur
getreuen Photogrammen? Er ergeht sich — „zur größeren Ehre
Gottes“! — in folgenden Fälschungen (Affenproblem 1909,8.8):
„Diese Tafel zeigt absichtliche Entstellungen zugunsten der falschen
Überschrift (— Skelette der fünf Menschenaffen —). Der aufrechte
Gang des Menschen ist vertuscht und der Gorilla ist mit durch
gedrücktem Knie gehend dargestellt. Falsch ist die Gehstellung bei
allen seinen Affen. . . . Diese Tafel ist eben ein Beispiel dafür, wie
Haeekel die Arbeiten anderer mißbraucht!“ — Ich darf wohl darauf
mit seinen eigenen Worten entgegnen: Diese dreiste Lüge „ist
eben ein Beispiel dafür, wie“ Herr Brass durch ausgedachte Ver
leumdung „einen guten Eindruck auf alle gläubigen Leser machen“
will (S. 9). Indem er ferner beweisen will, meine nach der Natur
photographierte Tafel sei „frei entstellt und willkürlich falsch
bearbeitet“ (S. 8), stellt er kindische Betrachtungen über den Gang
der Menschenaffen an, welche nur seine oberflächliche Kenntnis
dieser wichtigsten Primaten beweisen; er weiß nicht einmal, daß
der Gibbon beim aufrechten Gang genau so mit der flachen Fuß
sohle auftritt, wie der Mensch. Bei einem jungen Gibbon (Hylobates leuciscus'), den ich selbst auf Java mehrere Monate lebend
in meiner Wohnung hielt, konnte ich das alle Tage beobachten
(vgl. mein „Insulinde“, 1901, S. 227, Fig. 68, 69).
Bilder im Phyletischen Museum! In dem neuen Museum für
Entwicklungslehre, welches ich in Jena Anfang 1907 gegründet und
am 30. Juli 1909 der Universität Jena (bei Gelegenheit ihrer 3 5ojährigen Jubelfeier) als Geschenk übergeben habe, sollen die wich
tigsten Objekte der Keimes- und Stammesgeschichte dem Publikum
nicht nur in Präparaten vorgeführt, sondern auch durch Abbildungen
�28
und Beschreibungen erläutert werden. Die dazu gehörigen Tafeln
existieren noch nicht; sie sind noch nicht einmal entworfen,
geschweige denn ausgeführt.
Diese Tatsache hindert aber
Herrn Dr. Brass nicht, seinen „gläubigen Lesern“ (S. 9) folgende
Lüge aufzutischen: „Einen Teil der Tafeln, welche dem Museum
als bilden sollende Anschauungsmittel dienen werden, habe ich -per
sönlich gesehen. Nun, ich habe mich für Haeckel und seine Freunde
geschämt!“ (Affenproblem 1909, S. 10.) Und gehüllt in den
bestechenden Mantel moralischer Entrüstung fügt er hinzu, mit
besonderer Rücksicht auf den Sandalenkeim (S. 11): „Solche
verwerfliche Verdrehungen der Natur und der mühsam gewonnenen
Resultate unserer Wissenschaft verdienen eigentlich mehr als Hohn
und Spott. . . . Das ist eine Schande für deutsches Können!“ (fett
gedruckt S. 11!)
Die Familie des Affenmenschen (Pithecanthropus alalus), Ölbild
von Professor Gabriel von Max in München (verkleinerte Kopie
— Photogravüre ■— in meiner „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“,
XI. Aufl. 1909, S. 104, 715, 758). Dieses berühmte Bild, welches
der geistvolle Münchener Seelenmaler mir zu meinem 60. Geburts
tage (1894) verehrte, erregte großes Aufsehen und unterlag der
verschiedensten Beurteilung; ich habe vier verschiedene Deutungen
m meiner Erklärung desselben besprochen (a. a. O. S. LXVIII).
Selbstverständlich kann diese Komposition nur ein künstlerischer
Versuch sein, die äußere Gestalt der ausgestorbenen „Affen
menschen“ -—- d. h. der Übergangsformen vom Menschenaffen zum
Menschen — ungefähr so hypothetisch darzustellen, wie sie sich
aus den wichtigen (Gabriel von Max wohlbekannten!) Ergebnissen
der vergleichenden Anatomie und Ontogenie annähernd erraten
läßt. Ich habe das besonders hervorgehoben und dabei betont,
wie sehr sich die „Phantasie des genialen Künstlers“ auf seine
gründliche Kenntnis des Primaten-Organismus stützt. Dem gegen
über tischt nun Brass (—- der dies alles weiß! -—) seinem frommen
Keplerbunde folgende unglaubliche Unwahrheit auf („Wahr
heit“, 1906, S. 7): „Wenn Haeckel in seiner ,Natürlichen Schöpfungsgeschichtei das wahnwitzige, ihm persönlich von Gabriel
M ax auf Leinwand phantasierte Bild des Affenmenschen dem ganzen
deutschen Folke als echt zu bieten wagt, wenn er und sein Gefolge
dann durch Wort und Schrift nebenher alles verhöhnen, was weiteste
Kreise unseres Kolkes als ihr Bestes betrachten,, so wirken sie mit
derart tendenziösen wissenschaftlichen Unwahrheiten demoralisierend.
Der Glaube an die Korrektheit des Bildes und an die Wahrheit des im Texte Gebotenen, den Haeckel von seinen Lesern und
�29
Anhängern in erster Linie ganz bedingungslos fordert, bedeutet nur
die Verherrlichung der Bestie im Menschen!“ Eine Erläuterung
zu dieser schamlosen und böswilligen, echt jesuitischen Entstellung
der Wahrheit ist überflüssig. Soviel Sätze, soviel Lügen!
Mutterliebe bei Affen und Menschen. Jeder der in zoologischen
Gärten oder sonstwo eine zärtliche Affenmutter mit ihren sorg
fältig behüteten Jungen gesehen hat, kennt aus eigener Anschau
ung die sprichwörtlich gewordene „Affenliebe“; sie wird ja auch
öfter (_ mit Recht! —) bei überzärthchen menschlichen JVlüttern
mit diesem Ausdruck belegt. Bisher hat wohl noch niemand daran
gezweifelt, daß diese Form der „Brutpflege“, die Mutterliebe, dem
Ursprung und dem Wesen nach beim Menschen und den höheren
Tieren auf denselben psychologischen Prozessen beruht.
Erst
Brass war es vorbehalten, diesen Irrtum aufzuklären. Anknüpfend
an jenes Bild der Affenmenschen-Familie, auf welchem Gabriel
von Max der säugenden Mutter, mit dem Kind an der Brust,
einen besonders sinnigen und zarten Gesichtsausdruck verliehen hat,
belehrt uns Brass, daß gefade „die selbstlose Mutterliebe und
Muttersorge den Menschen scharf von allen Säugetieren trennt, und
unerreichbar wert von tierischen Irieb en und Instinkten abrückt.
(„Wahrheit, 1906, S. 7“.) Da Brass sich „am sichersten im
'positiven Wissen fühlt (S. y) und dem Zoologen Haeckel gegenüber
sich nicht minderwertig, auf dem Gebiete der Physik aber entschieden
überlegen fühlt“ (S. 9), so wird er vielleicht seine neue Deutung
der Mutterliebe nächstens „physikalisch“ begründen. Oder sollte
vielleicht der geringe Unterschied in der chemischen Zusammen
setzung der Milch beim Menschen und den übrigen Säugetieren
jene „scharfe Trennung“ bedingen ? Indessen bin ich bei meiner
mangelhaften zoologischen Bildung nicht berechtigt, in diesen
schwierigen Fragen mitzureden; das hat Brass deutlich gezeigt:
„Haeckel weiß leider nicht genau, was ein Wirbeltier ist; vor allen
Dingen hat er von der Natur der Säugetiere herzlich wenige posi
tive Kenntnisse!“ (— Zum Belege vergleiche man meine Anthropogenie und die Systematische Phylogenie der Säugetiere, 7. Kapitel
meiner Systematischen Phylogenie der Wirbeltiere 1895)
Rudimentäre Organe. „Überflüssige rudimentäre Organe
gibt es nicht!“ („Wahrheit“ 1906, S. 68.) Mit diesem über
raschenden Dekrete streicht Brass auf einen Schlag ein ganzes
großes Kapitel der Zoologie und Botanik, eines der interessantesten
Kapitel der ganzen Biologie. Jeder Naturforscher, der nur ein
wenig mit Systematik und Morphologie, oder mit Bionomie und
Physiologie der Tiere und Pflanzen sich beschäftigt hat, weiß, daß
�30
neben den „zweckmäßigen“ Einrichtungen der Organisation über
all eine große Zahl von Körperteilen zu finden ist, welche keinen
„Zweck“ erfüllen, welche nutzlose, überflüssige Anhängsel des Or
ganismus sind und ohne jeden Schaden für denselben entfernt
werden können. Beispiele hier dafür anzuführen, ist überflüssig;
ich habe im ersten und zwölften Kapitel der „Natürlichen Schöp
fungsgeschichte“ (1868) deren eine Anzahl zusammengestellt und
darauf hingewiesen, wie diese „verkümmerten, fehlgeschlagenen oder
abortiven Organe“ die höchste Bedeutung für die Deszendenz
theorie und die darauf gegründete monistische Weltanschauung
besitzen. Im 19. Kapitel der Generellen Morphologie (1866) hatte
ich diese bedeutungsvollen Erscheinungen eingehender erörtert und
einen besonderen Zweig der biologischen Philosophie als Un
zweckmäßigkeitslehre (DySteleologie) dafür gegründet, als Gegen
stück zu der herrschenden und althergebrachten Zweckmäßig
keitslehre (Teleologie}. Seitdem ist in Tausenden von Arbeiten
die weite Verbreitung und die hohe phyletische Bedeutung dieser
rudimentären Organe anerkannt und ^ugestanden worden, daß sie
nur durch die Abstammungslehre zu erklären und daher wertvolle
indirekte Beweise für deren Wahrheit sind. Alle diese Arbeiten
waren vergebens! Denn Brass dekretiert jetzt, daß sein anthropistischer Schulgott, der allweise und allmächtige Weltenbaumeister,
von Anfang an alles für einen ganz bestimmten höheren Zweck
weise eingerichtet und frei erfunden hat (S. 72, 73). Speziell für
den Menschen behauptet er, „daß im Aufbau seines Körpers
und in der ‘Tätigkeit seiner Organe auch nicht der kleinste Überfluß,
nicht die geringste Unzweckmäßigkeit herrscht“ (S. 68). Nun
vergleiche man hierzu das treffliche Buch von R. Wiedersheim:
„Der Bau des Menschen als Zeugnis für seine Vergangenheit“
(4. Aufl. 1908). Hier sind sehr zahlreiche rudimentäre Organe an
unserem Körper eingehend untersucht und gezeigt, daß sie sich
nur durch unsere Abstammung von niederen Wirbeltieren erklären
lassen. Man erstaunt über die Unwissenheit und Leichtgläubigkeit
der Keplergemeinde, die sich von ihrem Zoologen Brass solche
dreiste Unwahrheiten aufbinden läßt!
Gewebe des Menschen. Der „Keplerbund“ hält es für eine
seiner wichtigsten Aufgaben, die „Frage aller Fragen“, das
Menschenproblem, in rein dualistischem Sinne zu erledigen:
Dr. Brass bringt nun folgende „Beweise“ für die isolierte Sonder
stellung des Menschen in der Natur: „Die Zellen der Gewebe des
Menschen unterscheiden sich ganz auffällig von denen anderer
Säugetiere“ („Wahrheit“ 1906, S. 34.) Diese Behauptung von
�3i
Brass, die er mir „als kompetenter Fachmann verraten will“, ist
eine dreiste Erfindung, bloß darauf berechnet, sein „KeplerPublikum“ irrezuführen. Jeder Histologe, ja jeder Student, jeder
Arzt, der jemals die Gewebe des Menschen sorgfältig mikroskopisch
untersucht hat, weiß, daß deren gröbere und feinere Struktur, die
morphologischen und physiologischen Eigenschaften der sie zu
sammensetzenden Zellen, beim Menschen dieselben sind wie bei
den übrigen Säugetieren. Seit 60 Jahren, seitdem Tausende von
genauen Beobachtungen über die Struktur der Epithelien und
Drüsen, der Knorpel und Knochen, der glatten und quergestreiften
Muskeln, der Nerven und Ganglienzellen angestellt wurden, ist es
nicht gelungen, irgendwelche histologischen Unterschiede zwischen
den Menschen und den übrigen Säugetieren festzustellen. In allen
histologischen und anatomischen Lehrbüchern werden Tausende
von Figuren dieser Zellen und der aus ihnen zusammengesetzten
Gewebe abgebildet, die von verschiedenen Säugetieren entnommen
sind und zugleich für den Manschen gelten sollen. Diese müssen
sämtlich (— nach der Auffassung von Brass und Denn er t —)
für ,,verwerfliche Fälschungen“ erklärt werden, welche „das
Ansehen der Wissenschaft aufs schwerste schädigen.“ Erst dem
großen Brass war es vorbehalten, endlich die merkwürdigen Eigen
tümlichkeiten zu entdecken, welche eine histologische Scheidewand
zwischen dem Menschen und den übrigen Säugetieren aufrichten;
leider hat er uns nicht „verraten“, worin dieselben bestehen.
Kritik der Stammbäume. Brass behauptet in seiner „Wahr
heit“ (1906, S. 25): „Die Stammbäume, welche Haeckel und seine
Schüler hypothetisch aufstellen, erscheinen dem Fachmann wie eine
zum Feil absichtliche, wider besseres Wissen abgegebene Ent
stellung der Fatsachen“ Die Unwahrheit dieser Behauptung
liegt für jeden ehrlichen und sachkundigen Fachmann klar zutage.
Seitdem ich 1866 in der Generellen Morphologie die ersten Ent
würfe von Stammbäumen gegeben, sie in der „Systematischen
Phylogenie“ strenger ausgeführt, in der „Natürlichen Schöpfungs
geschichte“ weiteren Kreisen zugänglich gemacht habe, war ich
stets bemüht, ihre Bedeutung als heuristischer Hypothesen
zu betonen, und als solche haben sie (ebenso wie Tausende von
ähnlichen Versuchen anderer Zoologen und Botaniker) bereits große
Dienste geleistet. Immer habe ich ihren provisorischen Cha
rakter hervorgehoben und nach bestem Wissen mich bemüht, sie
möglichst naturgemäß den bekannten Tatsachen anzupassen.
Eizelle des Menschen. Den Ausgangspunkt aller Untersuchungen
über die individuelle Entwickelung bildet beim Menschen, wie bei
�32
allen übrigen Tieren, die Eizelle. Ich habe deren Bildung und
Bedeutung in meiner Anthropogenie ausführlich besprochen und
durch zahlreiche Abbildungen erläutert. Daher kann ich mich
hier auf eine kurze kritische Betrachtung der wichtigsten Verhält
nisse beschränken; diese ist aber deshalb nicht zu umgehen, weil
die Pharisäer des Keplerbundes auch hier die Wahrheit zu fälschen
versuchen; sie behaupten, daß der Mensch schon im Beginne
seiner Existenz, als Eizelle, „ganz Charakteristisches11 zeige, das
bei den Eizellen der Affen nicht zu finden sei (Brass 1906, S. 28).
Dieser „christliche Embryologe“ scheint durch „göttliche Offen
barung“ mikroskopischer Enthüllungen teilhaftig zu werden, die
allen übrigen Beobachtern verschlossen sind; er flunkert: „Die
menschliche Eizelle unterscheide ich wenigstens noch absolut
sicher von der zahlreicher Affen.“ (S. 34); — leider hat er weder
in Wort noch in Bild angegeben, worin diese „Charakteristischen
Unterschiede“ bestehen! Er vertröstet uns bezüglich dieser, wie
anderer wichtigen Entdeckungen immer auf seine zukünftigen
Werke: „Davon noch später“!
Selbstverständlich sind individuelle „Verschiedenheiten“ der
Eizellen beim Menschen wie bei allen höheren Tieren, sicher an
zunehmen; denn die bekannte Tatsache der individuellen Un
gleichheit aller einzelnen Personen (— auch aller Kinder eines
Elternpaares —) ist auf verschiedene chemische Beschaffenheit
oder Molekulardifferenzen der beiden Keimzellen zurückzuführen,
aus deren Vermischung das Individuum im Momente der Be
fruchtung entsteht. Aber diese Unterschiede, die wir hypothetisch
voraussetzen müssen, sind weder durch das Mikroskop noch durch
das chemische Experiment nachzuweisen. Vielmehr erscheint das
Ei des Menschen dem Ei anderer höherer Säugetiere, auch bei
Anwendung der stärksten Vergrößerung und der feinsten chemi
schen Reagentien, so ähnlich, daß niemand sie unterscheiden kann.
Embryonenbilder.
Keimformen der höheren Wirbeltiere sind auf jüngeren Stufen
der Entwickelung so auffallend ähnlich, daß man ohne Kenntnis
ihrer Herkunft sie überhaupt nicht unterscheiden kann. Diese
embryologische Tatsache war schon den älteren Naturforschern
bekannt und ist jederzeit sehr leicht durch Vergleichung von Prä
paraten und Abbildungen zu erhärten. Insbesondere ist bei den
drei höheren Wirbeltierklassen, die wir als Amnioten zusammen
fassen (Säugetieren, Reptilien und Vögeln), auf gewissen frühen
�33
^Bildungsstufen die Ähnlichkeit der äußeren Gestalt und der inneren
Struktur überraschend; auch die erfahrensten Sachkenner sind nicht
im. Stande, die jüngeren Embryonen von Amniontieren zu unter
scheiden, welche im entwickelten Zustande so auffällig verschieden
sind, wie Mensch und Affe, Hund und Kaninchen, Vogel und Eidechse.
Das hat bereits Carl Ernst von Baer in seiner klassischen „Ent
wickelungsgeschichte der Tiere“ gelehrt (1828, Anhänger, S. 221).
Wenn wir diese überraschenden Tatsachen im Lichte der
Deszendenztheorie betrachten, so finden sie ihre einfache Erklärung
durch das „Biogenetische Grundgesetz“, durch die Annahme,
daß diese auffällige „Formverwandtschaft“ die Folge wahrer „Stamm
verwandtschaft“ sei. Die ontogenetische Tatsache wird ver
ständlich durch die phylogenetische Hypothese. In gleicher
Weise, wie die verschiedenen Amniotenformen sich aus der gleichen
Keimform entwickeln, haben sie sich ursprünglich aus einer und
derselben Stammform hervorgebildet. Aber auch wenn wir diese
Annahme nicht machen wollen, folgt jedenfalls daraus, daß ihre
Entwickelung nach denselben gemeinsamen Gesetzen verläuft.
Da ich demgemäß in diesen Erfahrungs-Tatsachen der verglei
chenden Embryologie einen bedeutungsvollen (indirekten!) Beweis
für die Wahrheit der Deszendenztheorie erblicke, habe ich in meh
reren Schriften eine Anzahl von verschiedenen Amnioten-Embryonen
auf drei verschiedenen Entwickelungsstufen nebeneinander gestellt
(vgl. L. N. 4). Dabei habe ich absichtlich auf unwesentliche Züge
des Embryonenbildes kein Gewicht gelegt, um die wesentlichen
desto deutlicher hervortreten zu lassen. Gerade diese „Schema
tisierungen“ sind es, welche Brass und seinen Kepleristen die dank
barsten Angriffspunkte für ihre Verleumdungen geliefert haben; sie
wurden auch von anderen Autoren ,,nicht gutgeheißen“.
Daß die sogenannte „exakte Schule“ an solchen Darstellungen
(— wie überhaupt an jeder „Vergleichung“ —) von vornherein
Anstoß nahm, ist begreiflich; und ebenso, daß die Jesuiten darauf
hin den Mythus von meinen „Fälschungen“ verbreiteten. Dabei
„fälschten“ sie selbst den Tatbestand in der unverfrorensten Weise;
sie gaben an, ich habe eine vollständige Identität der ver
glichenen Embryonen behauptet, während ich doch nur hervor
gehoben hatte, daß ihre Ähnlichkeit zum Verwechseln groß und
wirklich „täuschend“ sei. Weder ich noch irgend ein anderer
Naturforscher hat die unsinnige Behauptung aufgestellt, daß die
Embryonen von Mensch und Affe, von Hund und Kaninchen, auf
irgend einer Entwickelungsstufe „identisch“ seien; denn das wird
ja schon durch die Tatsache der embryonalen Entwickelung selbst
Haeckel, Sandalion.
3
�34
widerlegt. Schon bei der einfachen kugeligen Keimzelle sind che
mische Unterschiede in der molekularen Zusammensetzung des
Plasma (— sowohl des Karyoplasma, der Kernsubstanz, als des
Cytoplasma, der Zellsubstanz —) mit Sicherheit anzunehmen, ob
wohl mit unseren beschränkten Hilfsmitteln nicht nachzuweisen.
Diese Annahme allein erklärt uns die Tatsache, daß jedes Kind
Eigenschaften von beiden Eltern geerbt hat. Das Kernplasma der
Eizelle überträgt die mütterlichen, das Kernplasma der Sperma
zelle die väterlichen Eigenschaften; in den individuellen Verschie
denheiten ihrer chemischen Zusammensetzung und in der beson
deren Mischung (Ampbimixis) dieser beiden verschiedenen Keim
bestandteile ist der wahre Grund der „Individuellen Ungleichheit
zu suchen, die überall besteht. (Vgl. .unten: „Dank ¿en Jesuiten /)
Diese Auffassung habe ich bereits 1866 (im fünften und sechsten
Buche der „Generellen Morphologie“) eingehend begründet.
Körperform und Struktur der Embryonen. Die Vergleichung
der äußeren Körperform der fraglichen Embryonalzustände be
weist zunächst nur die morphologische Zusammengehörigkeit zu
einer natürlichen Gruppe (Klasse, Ordnung, Familie); sie gewinnt
ihren hohen philosophischen Wert erst durch die phylogenetische
Deutung. Für diese ist aber ungleich wichtiger die Übereinstim
mung in dem inneren Körperbau, in der gröberen (organologischen) und der feineren (histologischen) Struktur.. Auch diese
ist nicht absolut; sie ist aber so vollkommen, daß sie in der ver
gleichenden Anatomie schlechthin als „Gleichheit“, nicht bloß als
„Ähnlichkeit“ behandelt wird. Es ist zu verwundern und zu be
dauern, daß diese wichtigste Tatsache der vergleichenden Anatomie
und Ontogenie (— auf die ich von jeher den höchsten Wert ge
legt habe —), in diesem verworrenen Streite nicht mehr betont,
und namentlich von den 46 Kollegen, die in der Leipziger Deklara
tion für mich eingetreten sind, nicht in den Vordergrund gestellt
worden ist.
Material der Embryonen. Eine Fülle von Irrtümern auf diesem
entlegenen Gebiete der embryologischen Beobachtung und Ver
gleichung ist dadurch bedingt, daß genügendes Material schwierig
oder überhaupt nicht zu beschaffen ist. Die lebendig gebärenden
Säugetiere sind in dieser Beziehung ganz ungünstig gestellt, im
Vergleiche zu den eierlegenden, nächstverwandten Sauropsiden
(Vögeln und Reptilien). Das klassische Hauptobjekt der embryo
logischen Forschung war von jeher das Huhn, von dem Eier jeder
zeit in beliebiger Menge zu erhalten und . in der. Brutmaschine
künstlich auszubrüten sind. Wie verhängnisvoll dieser Umstan
�35
war, wie weit sich gerade die Ontogenese der Vögel von dem ur
sprünglichen (erst spät mittels des Amphioxus erkannten) Typus der
Vertebraten-Entwickelung entfernt hat, habe ich im zweiten Vor
trage der Anthropogenie erläutert. Dagegen ist die Keimesgeschichte
der Säugetiere erst viel später bekannt geworden. Bei den meisten
Mammalien ist das Ei, wie beim Menschen, sehr klein, mit bloßem
Auge kaum als feines Pünktchen sichtbar, von 0,1—0,2 mm Durch
messer. Nachdem das zarte durchsichtige Kügelchen aus dem
Eierstock ausgetreten ist, kann es nur sehr schwer in der weichen
Schleimhaut des Eileiters und des Fruchtbehälters aufgefunden
werden. Von vielen der größten Säugetiere sind junge Embryonen
noch niemals oder nur selten bekannt geworden; vom Pferde z. B.
kennt man noch keine vollständige Entwickelungsreihe. Vom Menschen
sind die ersten Stufen derselben (aus der ersten Woche) noch nie
mals gesehen worden; der jüngste Keim, das 2 mm lange Sandalion,
ist schon 10—12 Tage alt (Fig. A, B, C unserer Tafel).
Der Körper dieser jüngsten Embryonen ist bei allen Säuge
tieren sehr zart und weich; er kann bei der Präparation sehr leicht
durch Druck oder Dehnung eine andere Gestalt annehmen; ebenso
durch Konservierung in verschiedenen Flüssigkeiten (z. B. Schrump
fung durch Erhärtung in Alkohol). So erklärt es sich, daß die
Bilder, welche selbst die sorgfältigsten Beobachter von einem und
demselben Objekt geben, vielfach voneinander abweichen. In neuerer
Zeit erst sind Normentafeln von zwei Embryologen, die besonderes
Gewicht auf die peinlichste Genauigkeit der Abbildungen legen,
von W. His und von F. Keibel, herausgegeben worden; vergleicht
man dieselben scharf, so findet man keineswegs die absolute Identität
der äußeren Körperform, wie sie in mathematischem Sinne ver
langt werden sollte. Ebenso erscheinen auch die zahlreichen Bilder,
welche diese und andere zuverlässige Autoren (z. B. Rabl) von
menschlichen Embryonen aus der dritten bis fünften Woche der
Entwickelung geliefert haben, keineswegs absolut identisch; selbst
die verschiedene Art der graphischen Darstellung bedingt hier ge
wisse Abweichungen. Auch die Photographie liefert kein besseres
Resultat. Außerdem zeigen sich schon frühzeitig wirkliche Form
unterschiede der Embryonen bei verschiedenen Rassen oder Varie
täten einer und derselben Art (sehr auffallend z. B. beim Hund).
„Die individuelle Variation des Wirbeltierembryo“ hat in einer
sorgfältigen Arbeit Ernst Mehnert eingehend behandelt. Mehr
oder weniger auffallende Abweichungen von der gewöhnlichen Norm
kommen beim Embryo ebenso wie beim reifen Tiere vor. Es
scheint, daß selbst die Embryonen verschiedener Menschenrassen
3*
�36
(z. B. Australneger, Japaner, Europäer) schon in frühen Stadien
etwas voneinander abweichen. Natürlich kommt es bei diesen Ver
gleichungen darauf an, daß nur Embryonen derselben Bildungsstufe
miteinander verglichen werden, und das ist oft nicht leicht. Bei
den jüngeren Embryonen der Säugetiere vollziehen sich z. B. am
Kopfe die Umbildungen der Kiemenbögen so rasch und sind so
schwierig zu verfolgen, daß die Bilder, wenn sie nicht genau gleich
alten Keimen entnommen sind, oft beträchtlich verschieden er
scheinen. Auch durch kleine, an sich unbedeutende Abweichungen
in der zufälligen Stellung der Gliedmaßenanlagen, oder der Krüm
mung des Schwanzes, kann die Täuschung wirklicher Differenz
entstehen (G. Schwalbe, Morphologische Arbeiten Bd. V, Heft 2,
S. 386—444).
Zweck der Embryonen-Vergleichung. Angesichts der
heftigen Angriffe, die von beiden Jesuitenbünden gegen meine
Embryonenbilder gerichtet wurden, ist noch besonders zu betonen,
daß diese in populären Schriften erschienen sind; sie sollen dazu
dienen, dem Laien eine Anschauung von diesen bedeutungsvollen
Tatsachen der Keimesgeschichte zu vermitteln, die seinem
Bildungskreise, ebenso wie dem gewöhnlichen Schulunterricht, ganz
fern liegen. Daher kam es vor allem darauf an, das Wesentliche
hervorzuheben und die unwesentlichen Nebensachen (z. B. Eihüllen,
Dottersack) zurücktreten oder ausfallen zu lassen. Dagegen habe
ich niemals den Anspruch erhoben, durch diese Darstellungen dem
Fachmann neue morphologische Entdeckungen zu bieten. So töricht
bin ich nicht, durch „TorSpiegelung falscher Tatsachen“ die Em
bryologen vom Fach irre führen zu wollen, wie Brass und andere
meiner jesuitischen Gegner behaupten. Was hätte ich damit er
reichen wollen und können? Ich hebe daher ausdrücklich hervor,
daß die geringen Veränderungen der äußeren Körperform, die ich
hier und da an einzelnen Embryonen vorgenommen habe (— die
„gewissenlosen Fälschungen“ des Keplerbundes! —) lediglich
zum Zwecke des besseren Verständnisses für den gebildeten Laien
vorgenommen wurden. Es sind „Schemabilder“, Diagramme oder
„vereinfachte und schematisierte Figuren“, wie sie tausendfach nicht
nur in populären Schriften, sondern auch in wissenschaftlichen
Werken tagtäglich angewendet werden.
Zur gerechten Beurteilung meiner vielfach getadelten (zuerst
1868 publizierten) vergleichenden Darstellung von WirbeltierEmbryonen ist zu bemerken, daß damals, vor 42 Jahren, die ver
gleichende Embryologie noch wenig bearbeitet war; gute Abbil
dungen, besonders von jüngeren Stufen der Entwickelung, waren
�—
37
—
selten und schwer aufzutreiben. Erst in den letzten 30 Jahren hat
dieser wichtige Zweig der Entwickelungslehre einen mächtigen Auf
schwung genommen. Aber auch jetzt noch sind viele empfindliche
Lücken in den Beobachtungen vorhanden, die nur durch ver
gleichende Synthese provisorisch ausgefüllt werden können.
Das Recht zu einer Herstellung solcher schematischen Bilder,
besonders zur Illustration schwieriger Formverhältnisse, ist in Lehr
büchern und populären Werken allgemein anerkannt. Ich habe in
meinen populären Schriften davon nur den üblichen Gebrauch ge
macht und sie niemals für exakt ausgegeben. H. Schmidt (Doku
mente, S. 88) bemerkt darüber treffend: „Der jesuitische Kniff der
Keplerbündler Dennert und Brass liegt darin, daß sie selbst erst
entgegen Haeckels eigener Absicht seine schematisch en Abbildungen
zu exakt sein sollenden machen, um sie dann mit einem Schein -von
Recht als wissenschaftliche Fälschungen brandmarken zu können.“
Gegenüber den scharfen Angriffen, welche Dr. Brass gegen
mich wegen der angeblichen „Fälschungen von Embryonen“ ge
richtet hat, ist besonders wichtig das Urteil, welches' einer der
kenntnisreichsten und urteilsfähigsten Embryologen, Professor Carl
Rabl (Leipzig) abgegeben hat (in der Frankfurter Zeitung vom
5. März 1909). Nachdem er die „Unwissenheit und Oberflächlich
keit von Brass und die zahlreichen Fehler, denen man m seiner
Schrift über das Affenproblem auf Schritt und Britt begegnet“, scharf
beleuchtet hat, sagt er über meine schematisierten Bilder: „Fon
Fälschung und Betrug kann nie und nimmer die Rede sein; davon
könnte nur dann gesprochen werden, wenn absolut naturgetreue Ab
bildungen zu anderen Schlüssen führten, als die Haeckelschen Schemata;
dies ist aber nicht der Fall. Im Laufe der letzten 30 Jahre sind
viele Lausende von Embryonen der verschiedensten Wirbeltiere durch
meine Hände gegangen, und ich erkläre, daß sich Haeekels phylo
genetische Deduktionen durch absolut naturgetreue Bilder weit
besser und überzeugender beweisen ließen, als durch seine eigenen
Schemata“. (Heinrich Schmidt, Dokumente, S. 66.)
Sandalion der Wirbeltiere. Mit dem Namen Sandalion oder
„Sandalenkeim“ bezeichnen wir einen der interessantesten und
wichtigsten Naturkörper. Das ist jene bedeutungsvolle Keimform
der höheren Wirbeltiere oder Amnioten (Säugetiere, Vögel und
Reptilien) welche die einfache Gestalt einer Sandale oder Schuh
sohle besitzt; also eine dünne länglich runde Scheibe, die in der
Mitte schmäler, an beiden Enden abgerundet und etwas breiter
ist (Fig. A, B, C). Der Körper jedes amnioten Wirbeltieres läßt
auf dieser frühen Entwickelungsstufe noch nichts von der spä
�38
teren charakteristischen Gestalt erkennen. Da ist äußerlich noch
keine Scheidung von Kopf, Rumpf und Schwanz wahrzunehmen,
keine Spur von Sinnesorganen, keine Andeutung der beiden Zygomelen oder Gliedmaßenpaare. Auch fehlt noch die Vertebration
oder „Wirbelbildung“, jene typische innere Gliederung des Körpers,
durch welche derselbe in eine Kette von vielen gleichartigen,
hintereinander gelegenen Wirbelstücken zerlegt wird, den Urwirbeln
oder Somiten.
Struktur des Sandalion. Der Körperbau des Sandalenkeims,
sein Aufbau aus wenigen einfachen Primitivorganen, bleibt bei
sämtlichen Amnioten derselbe, wenn auch seine äußere Körper
form in den einzelnen Gattungen geringfügigen Abweichungen
unterliegt (besonders in dem Verhältnis der Länge zur Breite, in
der Abrundung der vorderen und hinteren Hälfte, usw.). Überall
besteht der Körper des ungegliederten Sandalion nur aus den vier
Keimblättern, aus denen sich ganz allgemein der Leib sämtlicher
Wirbeltiere entwickelt, den beiden Grenzblättern (äußerem und
innerem, Ektoderm und Entoderm) — und den beiden Mittel
blättern, die zwischen beiden liegen und als Mesoderm zusammen
gefaßt werden. Jedes der vier dünnen, dicht übereinanderliegenden
Keimblätter ist aus vielen tausend einfachen Zellen zusammen
gesetzt. Bei der Ansicht von oben (von der Rückenseite des
Keimschildes oder der Embryonalanlage) — wie sie unsere drei
Figuren A, B, C zeigen — ist nur das äußere Keimblatt sichtbar,
das Hautsinnesblatt. In seiner Mittellinie, zwischen rechter und
linker Hälfte, verläuft eine gerade Furche, die Markrinne oder
„Medullarfurche“, die Anlage des Zentralnervensystems (Rücken
mark und Gehirn). Hinter derselben (unten) ist ein kleines rundes
Loch sichtbar, der Markdarmgang (Canalis neurentericus); er führt
vorübergehend aus dem hinteren, noch offenen Ende der Mark
rinne in den darunter gelegenen Urdarm, die Anlage des späteren
Darmrohres. Diese öffnet sich hinten durch den Urmund (Prostoma
oder Blasto-porus), früher als Primitivstreif oder Primitivrinne be
zeichnet (Fig. A, B, C). Eine eingehende Beschreibung dieser
wichtigen Strukturverhältnisse und der merkwürdigen Vorgänge,
durch welche sich daraus die späteren Organe entwickeln, habe
ich im zwölften und dreizehnten Vortrage meiner Anthropogenie
gegeben. (Vgl. besonders S. 313—390 und Taf. IV—XIII.)
Menosoma und Embryorgane. Der Dauerleib (Menosoma)
der Amnioten, d. h. der bleibende Körper mit allen seinen Organen,
entwickelt sich allein aus dem Mittelteil des ganzen Keims,
aus dem Sandalion (ursprünglich Discogastrula). Außerdem aber
�39
mgt der Amnioten-Embryo noch eine Anzahl von vergänglichen
Keimorganen (Embryorgana), die nur vorübergehend mit dem
Sandalenkeim Zusammenhängen und keinen Anteil an dem Aufbau
des bleibenden Körpers nehmen. Diese sogenannten „extraembryo
nalen Organe“ sind: I. Der Dottersack (Eecitboma) der zur Er
nährung des Embryo dient, 2. der Urharnsack (.Allantois) ein
embryonales Atmungsorgan, und 3. die schützenden Keimhüllen
(Embryolemma)-. Wasserhaut (Amnion), Serumhaut (Serolemma) und
Zottenhaut (Chorion). (Vgl. die zwölfte Tabelle meiner Anthropogenie, S. 310.)
Vergleichung der Sandalenkeime. Zu den interessantesten und
wichtigsten Schlüssen führt uns die unbefangene kritische Ver
gleichung der Sandalien in den verschiedenen Ordnungen und
Familien der Amnioten. Denn überall erscheinen sie in wesent
lich derselben Form, überall in der gleichen Zusammensetzung der
vier Keimblätter und in beständiger Beziehung zu den Organen,
die sich daraus entwickeln. Unter den Reptilien besitzen die
Eidechsen und Schlangen, die Krokodile und Schildkröten im
wesentlichen die gleiche Bildung des Schuhsohlen-Embryo; unter
den Vögeln die Hühner und Tauben, die Enten und Finken;
Unter den Säugetieren die Schnabeltiere und Beuteltiere, die
Schweine und Wiederkäuer, die Mäuse und Kaninchen, die In
sektenfresser und Raubtiere, die Fledermäuse und Affen (vgl. Taf. IV
und V, Taf. VIII—XIII meiner Anthropogenie, und im Texte
Fig. 123—138). Wie verschieden sind alle diese mannigfaltig ge
stalteten Amniontiere im entwickelten Zustande, und dennoch
entwickeln sich alle aus der gleichen Keimform! Und wie verhält
sich nun das höchste aller Amniontiere, der Mensch? Er bildet
auch hier keine Ausnahme! (L. 5.)
Sandalion des Menschen. In Fig. B und C unserer Tafel sind
die beiden einzigen, sicher und vollständig beobachteten Exemplare
des menschlichen Sandalion im frühesten Bildungszustande dar
gestellt: Kopien aus dem schönen „Handatlas der Entwickelungs
geschichte des Menschen“, von Julius Kollmann (Jena 1907?
Fig. 180, 182). Im Jahre 1889 (— also vor 21 Jahren! —) ver
öffentlichte Graf F. Spee im Archiv für Anatomie „Beobach
tungen an einer menschlichen Keimscheibe mit offener Medullär
rinne und Canalis neurentericus“. Die vortrefflichen Abbildungen,
welche Graf Spee von diesem höchst wichtigen Sandalen
keim des Menschen und von den bedeutungsvollen Durch
schnitten durch denselben gegeben hat, sind in alle neueren Lehr
bücher und Atlanten der Embryologie übergegangen, so z. B. in
�4°
das weitverbreitete „Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des
Menschen und der Wirbeltiere“ von Oskar Hertwig (8. Auflage,
1906, S. 179, Fig. 222—224). Ich selbst habe sie in meiner ,,Anthro
pogenic“ wiedergegeben (VI. Auf!., 1910, S. 255, Fig. 100 und
S. 320, Fig. 136).
Dieser berühmte Sandalenkeim des Menschen ■—■ von zwei
Millimeter Länge! — besitzt die höchste Bedeutung, nicht
allein für die Ontogenie, sondern auch für die Phylogenie des
Menschen. Denn er ist der jüngste und kleinste Embryo unseres
Geschlechts, von dem wir bis jetzt sichere Beobachtungen und
klare, die ganze feinere Struktur enthüllende Durchschnitte besitzen;
er ist wahrscheinlich zwölf Tage alt („vom Ende der zweiten Woche“);
jüngere Embryonen des Menschen sind bisher noch nie zur Be
obachtung gelangt, obwohl solche täglich tausendweise erzeugt
werden. Das „Sandalion“ besitzt auf dieser frühen Bildungs
stufe genau dieselbe äußere Gestalt und dieselbe innere Zusammen
setzung, wie bei den nächstverwandten Säugetieren. Die schuh
sohlenähnliche dünne Keimscheibe (in der Mitte ein wenig schmäler)
ist ungefähr doppelt so lang als breit und zeigt auf der Rücken
fläche in der Mittellinie vorn die Medullarrinne (Anlage des Rücken
marks), hinten die Primitivrinne (den Urmund der Gastrula)
und zwischen beiden, sie verbindend, den „Markdarmgang“ (Canalis
neurentericus). Auf dem Querschnitt (Anthropogenie, S. 255, Fig. 100)
sieht man die vier sekundären Keimblätter. Die Anlage des mittleren
Blattes (Mesoderm) und das Verhalten seiner beiden Lamellen zu
den beiden Grenzblättern (Ektoderm und Entoderm), sowie ihre
Bedeutung für die daraus sich entwickelnden Organe, sind beim
Menschen genau dieselben wie bei allen anderen Säugetieren (z. B.
beim Kaninchen, Anthropogenie, S. 254, Fig. 99).
Embryorgane des menschlichen Sandalion. Von besonderem
Interesse für unseren „Embryonenkampf“ ist die eigentümliche
Bildung der vergänglichen „extraembryonalen Keimorgane“ des
menschlichen Sandalenkeims. Der wichtigste Teil dieser EmbryoOrgane ist in dem berühmten Embryo des Grafen Spee (Fig. B)
nur in Bruchstücken erhalten; besser in dem wenig älteren Embryo,
welchen Eternod später abgebildet hat (Fig. C). Beide Figuren
zeigen übereinstimmend das Amnion oder die „Wasserhaut“, denzarten, mit „Fruchtwasser“ gefüllten „Fruchtsack“, welcher den
Sandalenkeim unmittelbar schützend umschließt. Darunter liegt
(auf seiner Bauchseite) der birnförmige Dottersack (Saccus vitellinus),
der Rest des ursprünglich größeren Ernährungsorgans, dessen letzter
Überrest später noch als „Nabelbläschen“ zu finden ist. In dem
�41
ßafidalion von Eternod (Fig. C) ist er vollständig erhalten, in
dem jüngeren von Spee (Fig. B) nur teilweise und zerrissen. Am
hinteren Ende, unterhalb der Primitivrinne, sitzt der kurze dicke
Bauchstiel (Pedunculus umbilicalis), der sich später zum Nabel
strang verlängert; das ist der Allantoisstiel, vereinigt mit dem ver
lagerten Amnionstiel und dem rudimentären Dottersackstiel. Er geht
außen über in die Zottenhaut (Chorion); von einem abgeschnittenen
Bruchstück dieses Chorion sind in Fig. B nur wenige, in Fig. C
zahlreichere verästelte Zotten dargestellt. Die glatte Innenfläche
des Chorion ist von dem Serolemma oder der „serösen Hülle“ aus
gekleidet. (Vgl. das Nähere im 15. Vortrage meiner Anthropogenie:
„Keimhüllen und Keimkreislauf“.)
Bauchstiel des Menschenkeims. Aus einem Teile der Zotten
haut (Chorion) und der Blutgefäße, welche durch den Allantois
stiel zu ihr übergeführt werden, entwickelt sich das wichtigste
Ernährungsorgan des Embryo, der Gefäßkuchen oder „Mutter- ,
kuchen“ (Placenta'). Der feinere Bau dieses Embryorgans und
sein Verhalten zum Bauchstiel, zeigen beim Menschen verwickelte
und ganz eigentümliche Verhältnisse, und die Gegner der Ab
stammungslehre wiesen noch vor 20 Jahren triumphierend darauf
hin, daß hier ein ganz besonderer Unterschied des Menschen von
allen übrigen Säugetieren vorhege. Da zeigte 1890 Selenka durch
sehr gründliche Untersuchungen, daß ganz dieselbe eigentümliche
Plazentabildung auch bei den Menschenaffen vorkommt, beim
Orang und Gibbon. Somit ist sie nicht ein Gegenbeweis gegen
die nahe Blutsverwandtschaft des Menschen und der Menschenaffen,
sondern ein neuer schlagender Beweis zu ihren Gunsten (Anthro
pogenie S. 401, 660, 661).
Urmund des Mensehenkeims. Als ich 1872 (in meiner Mono
graphie der Kalkschwämme) die Lehre von der Homologie der
Keimblätter bei allen Metazoen (oder vielzelligen „Gewebtieren“)
aufstellte und sie bald darauf in den „Studien zur Gasträatheorie“
(1874) weiter ausführte, wies ich mit besonderem Nachdruck darauf
hin, daß das älteste gemeinsame Organ aller Metazoen der Urdarm
sei, und seine Öffnung der Urmund. Der ganze Leib der Gewebtiere ist auf der Bildungsstufe der Gastrula im einfachsten Falle
ein länglich rundes Säckchen oder Bläschen, dessen dünne Wand
nur aus zwei einfachen Zellenschichten besteht, den beiden „Pri
mären Keimblättern“ (Ektoderm und Entoderm); seine einfache
Höhlung ist der Urdarm, seine Öffnung der Urmund (Anthropo
genie (S. 161 und 551). Indem ich nachwies, daß die mannigfach
verschiedenen Keimformen aller Metazoen sich auf eine solche ge-
�42
meinsame Urform der Gastrula zurückführen lassen, gründete ich
(— gestützt auf das biogenetische Grundgesetz —) darauf den
Schluß, daß alle Gewebtiere sich entsprechend von einer gemein
samen Stammform (Gastraea') hypothetisch ableiten lassen. Diese
Gasträatheorie ist jetzt, nach langen Kämpfen, ziemlich all
gemein angenommen; nur Dr. Brass verwirft sie vollständig und
sagt: „Die ganze Gasträatheorie ist nichts anderes als ein Zeugnis
für die Unkenntnis 'physiologischer Tatsachen.“ (Wahrheit 1906, S. 29.)
Die eigentümliche Form der sogenannten „Primitivrinne“,
welche der Urmund bei den Amnioten annimmt, verhält sich beim
Menschen ebenso wie bei allen anderen Säugetieren, und speziell
genau so wie bei den Menschenaffen. Hinter dem Markdarmgang
(Canalis neurentericus} zieht sich in der Mittellinie des Sandalion
(— in der Längsachse des Körpers, entgegengesetzt der nach vorn
sich erstreckenden Medullarfurche —) eine Furche gegen das Hinter
ende herab. Diese „Primitivrinne“ ist der Urmund, in den Ab
bildungen von Spee (Fig. B) und von Eternod (Fig. C) deutlich
erkennbar. Was sagt nun Brass darüber? „Welchen Zweck sie hat,
das wissen wir nicht; ob sie beim Menschen vorhanden ist, das wissen
wir noch weniger; denn die ersten Entwicklungsstadien des Menschen
hat bis heute noch keines Menschen Auge zu sehen bekommen, trotz
der schönen Abbildungen, die Haeckel seinen gläubigen Lesern immer
wieder als beweisende Tatsachen davon vorzusetzen beliebt “ (Wahr
heit 1906, S. 53).
Diese erstaunlichen Behauptungen von Brass lassen sich nur
durch zwei Annahmen erklären! Entweder durch auffallende Un
kenntnis der wichtigsten Tatsachen, oder durch Leugnung
derselben „Zu Ehren Gottes“ („In majorem Dei gloriam“'), wie
er am Schlüsse seines „Wahrheits“-Pamphlets sagt (S. 44). Ent
weder kennt dieser große Embryologe (der sich als kompetenter
Fachmann auf dreißigjährige Erfahrung beruft!) die wichtige, seit
zwanzig Jahren bekannte Primitivrinne des menschlichen Sandalen
keims nicht, oder er unterschlägt sie und leugnet ihre Existenz,
um die Sonderstellung des Menschen (als „Ebenbild Gottes“!)
zu retten. Eine solche „freche Fälschung“ ist ja nach dem
bekannten Jesuitenkodex durchaus erlaubt, ja löblich, wenn sie nur
„zu Ehren Gottes“ geschieht, d. h. zum Nutzen der Ecclesia militans
(— und insonderheit der Kasse des frommen „Keplerbundes“! —■).
Fälschung des Sandalion-Bildes.
Der klassische Embryo des Grafen Spee besitzt aber auch
neben diesem ontogenetischen und phylogenetischen noch ein be-
�43
sondere« juristisches Interesse. Denn er bildet einen schweren
Indizienbeweis für die böswilligen „Fälschungen“, durch die ich
die Wissenschaft schwer geschädigt und meinen persönlichen Kredit
eingebüßt haben soll. Es besteht bei allen fachkundigen und ur
teilsfähigen Embryologen kein Zweifel darüber, daß der Sandalen
keim beim Mensche», wie beim Kaninchen und bei allen anderen
Säugetieren, völlig symmetrisch gestaltet ist; die rechte und linke
Seitenhälfte des Körpers (welche in der Mittellinie vorn durch die
Medullarrinne, hinten durch die Primitivrinne geschieden werden),
gind an Größe und Gestalt vollkommen gleich. Dieser Annahme
widerspricht aber scheinbar die Rückenansicht, die Spee gegeben
hat (Fig. B). Denn hier ist der Körperumriß ein wenig unsym
metrisch, im Vorderteil die linke Hälfte etwas schmäler, im Hinter
teil umgekehrt etwas breiter als die rechte; auch liegt die Primi
tivrinne nicht gerade in der Mittellinie, sondern ist hinten etwas
nach rechts verschoben. Kein unbefangener Beobachter, der die
Schwierigkeiten der Präparation und Konservierung von solchen
ittßerst zarten und biegsamen, einem dünnen Blättchen gleichenden
Keimscheiben kennt, zweifelt daran, daß jene Asymmetrie ganz
IUfällig ist und keine morphologische Bedeutung hat; sie ist bei
der schwierigen Übertragung des delikaten, nur 2 mm langen, i mm
breiten Blättchens auf den Objektträger entstanden. Wahrschein
lich ist dabei noch eine leichte Zerrung durch einen Rest des
Dottersacks schädlich gewesen, der vorn auf der rechten Seite hängen
geblieben ist. Graf Spee aber, der glückliche Finder dieses Schatzes,
hat mit der größten Gewissenhaftigkeit den Sandalenkeim genau
so (—* exakt! —) gezeichnet, wie er ihn auf dem Objektträger
Wter dem Mikroskop sah, nicht so (symmetrisch), wie man ihn
sich mit Recht vorstellen muß.
Nun habe ich in meiner Anthropogenie (S. 320) die Figur
Tön Graf Spee (in Fig. 136) ohne jede Änderung genau kopiert,
daneben aber (in Fig. M I auf Taf. V) dasselbe Sandalion ver
bessert dargestellt; d. h. ich habe die zufällige Asymmetrie beider
Körperhälften ausgeglichen und den störenden Rest des anhängenden
Dottersackes, sowie den Bauchstiel und das Bruchstück der unten
althängenden Zottenhaut (die gar keine Bedeutung für die bleibende
Körperform besitzen) weggelassen. Dies geschah behufs Ver
gleichung des menschlichen Sandalionkeimes mit den nebenstehenden
ähnlichen Keimzuständen des Kaninchens und des Schweines. Die
selben drei Sandalien habe ich auf Tafel II meines Vortrages
über das „Menschenproblem“ (1907) zur Vergleichung nebeneinander
gestellt. Ich wiederhole nun hier (in Fig. A.) das korrigierte
�44
Schema des menschlichen Sandalion. Ich bin fest überzeugt, daß
meine schematisierte Figur die wahre Körperform des symmetri
schen Sandalion richtiger wiedergibt, als die exakte (— bis jetzt
einzig dastehende —) Abbildung des Entdeckers, Graf Speej es
wird also der Laie, der zum Vergleiche der Sandalenkeime des
Menschen und anderer Säugetiere aufgefordert ist, aus der enteren
sich ein besseres Bild von den wirklichen Gestaltverhältnissen
machen können, als aus der letzteren.
Der Sandalenkeim vor Gericht. Da gerade diese „Schema
tisierung des Sandalion“ von Brass („Affenproblem“ 1909, S. 10)
und von anderen Gegnern besonders scharf angegriffen, aber auch
von kritischen Anhängern des biogenetischen Grundgesetzes „nicht
gutgeheißen“ wird, sei hier noch der Hinweis auf eine eventuelle
gerichtliche Verurteilung dieser „ungeheuerlichen Fälschung der
Tatsachen“ gestattet. Wenn einem Staatsanwalt oder einem Richter
dieser inkriminierte Fall vorgelegt würde, so wird sein Urteil wahr
scheinlich zu meinen Ungunsten ausfallen; denn er kennt weder
die betreffenden embryologischen Objekte, noch die Methoden,
welche bei ihrer Bearbeitung und Darstellung angewendet werden;
er kann auch nicht wissen, worauf es bei dieser Vergleichung an
kommt. Er urteilt lediglich nach der Ähnlichkeit oder Verschie
denheit der beiden vorgelegten Bilder. Da nun in meinem schema
tisierten Bilde der störende Rest des Dottersackes weggelassen und
die zufällige irreführende Asymmetrie beider Körperhälften aus
geglichen ist, wird er mein subjektives verbessertes Bild gegenüber
den objektiven exakten Figuren des Grafen Spee für eine „Fäl
schung“ erklären. Der exakte Embryograph wird sich vielleicht
diesem verwerfenden Urteile anschließen. Hingegen wird der ver
gleichende Embryologe, der das Wesentliche in beiden Objekten
gleichartig findet, meine „Fälschung“ für durchaus berechtigt und
für den Lehrzweck nützlich finden.
Weitere Fälschungen.
An dem klassischen Beispiele des Sandalion habe ich
im Vorstehenden nachgewiesen, wie schlau die Jesuiten eine schein
bare Ungenauigkeit einer schematisierten Figur zu benutzen wissen,
um deren Autor als „Erbärmlichen Fälscher und Betrüger“ an
den Pranger zu stellen und dieser schweren Fälschungsanklage durch
eine nicht sachverständige Presse die weiteste Verbreitung zu ver
schaffen. Indem sie die moralische Ehre und die persönliche
Autorität des angeblichen Fälschers vernichten, hoffen sie dadurch
�—
45
die verhaßte, von ihm geförderte Aufklärung (— in diesem Falle
durch die Entwickelungslehre —) zu verhindern.
Wie mit dem Sandalion, so verhält es sich auch mit den anderen
tämbryonenbildern, die ich „gewissenlos gefälscht“ haben soll; sie sind
Schemata oder Diagramme, in denen die absichtliche Verbesserung
des unzureichenden Originalbildes lediglich dazu dienen soll, das
Schwierige Verständnis des Objektes dem Leser zu erleichtern.
Wenn trotzdem die rührige und einflußreiche Jesuitenpresse noch
fortfahren wird, mich wegen solcher angeblichen Fälschungen
öffentlich zu beschimpfen und anzuklagen, so muß ich ihr selbst
das Zeugnis zurückgeben: „Erbärmliche Fälschung und infame
Verleumdung“. „Omnia in majorem Del gloriam!“
Stichproben aus der Jesuitenpresse.
„Haeckel ist der größte Schwindler, den die Sonne je be
schienen!“ (Kirchlicher Anzeiger der katholischen Josefsgemeinde.
Dortmund, April 1909.)
„Professor Haeckel, der als Fälscher schon so und so oft
gebrandmarkt worden ist, wird von keinem großen Gelehrten
jnehr ernst genommen!“ (Ingolstädter Zeitung Nr. 6(. — Vom
16. März 1909.)
„Unter den Aposteln des Unglaubens gibt es kaum jemand,
der so oft der Unwissenheit und Fälschung überführt worden
ist, als der Affen-Professor Haeckel.“ (Offenburger Zeitung
Nr. 153. Vom 10. Juli 1906.)
„Nun ist auch der letzte Pionier auf dem Gebiete der
wissenschaftlichen Veraffung des Menschen, nämlich Professor
Haeckel, moralisch zu den Toten gelegt. Denn seine Bilder
fälschung wischt der Mann nicht mehr ab.“ (Bayrisches Vaterland,
am 21. Januar 1909.)
„Wie heißt der Haupterfinder und geistige Vater des
Monismus? Haeckel! Was ist Haeckel? Ein. erbärmlicher
Fälscher und Betrüger, der, um sein System beweisen zu
können, Einschiebsel macht.“ (Die Ostschweiz, St. Gallen, Nr. 173,
am 30. Juli 1910.)
„Professor Haeckel, der geistige Vater des Monistenbundes,
der vor 15 Jahren noch eine Kolossalstatue in der Gelehrten
welt bildete und anfänglich geradezu verhimmelt wurde, ist jüngst
als Fälscher entlarvt und moralisch durch und durch ge
richtet.“ (Recklinghäuser Zeitung, Nr. 47, vom 28. Februar 1910.)
„Ernste Männer der Wissenschaft, vor allen sämtliche
Naturforscher von Ruf, haben sich gegen Haeckel gewendet.
�46
Die Wissenschaft hat ihn längst gerichtet und abgetan.“ (— „Die
Wahrheit“! Nr. 59. Troppau. —)
„Man beruft sich auf den berühmten Herrn Professor Haeckel
in Jena, den unsterblich blamierten Taschenspieler mit Embryonenbildern“. (Westfälisches Volks blatt, Paderborn Nr. 260,
vom 9. Februar 1909.)
Der Embryonen-Prozeß. Angesichts der schmachvollen Fäl
schungs-Anklagen der Jesuiten, der groben Beschimpfungen und
Verleumdungen, mit denen mich die klerikale und reaktionäre Presse
besonders in den letzten Jahren hartnäckig verfolgt, bin ich von
Freunden und von Anhängern der monistischen Weltanschauung
oft gebeten worden, meine Feinde vor Gericht zu ziehen und mir
öffentliche Genugtuung zu erwirken. Aus mehreren Gründen habe
ich das stets unterlassen und werde es auch fernerhin nicht tun. Ein
unparteiischer und kompetenter Gerichtshof für einen solchen
„Kampf um die Weltanschauung“—-denn das ist in Wahrheit
der Kampf um die Embryonen-Bilder ! — ist .überhaupt nicht zu
finden. Über einen so verworrenen und schwierig zu beurteilenden
Fall, wie die angebliche „Embryonen-Fälschung“ können nur
biologisch gebildete Sachverständige urteilen, und selbst diese können
ganz verschiedener Meinung sein. Das hat sich deutlich gezeigt
bei dem Rundschreiben, welches die beiden Direktoren des Kepler
bundes, Dennert und Teudt, im Januar 1909 an mehr als hun
dert deutsche Zoologen, Anatomen und Embryologen richteten,
um womöglich ein einstimmiges Verdammungsurteil über mich zu
erzielen. Sie erhielten darauf nur 15 Antworten, von denen 13
„höflich und sachlich lauteten“. Dagegen hatte diese Provokation
den unerwünschten Erfolg, daß in der vielbesprochenen Leipziger
Deklaration 46 der angesehensten Biologen ihr Urteil zu meinen
Gunsten abgaben und „den von Brass und dem Keplerbund gegen
Haeckel gejührten Kampf aufs schärfste verurteilten.“ (Vgl. H. S.
„Dokumente“ S. 50.) Ihre Zahl stieg auf rund fünfzig, da nach
träglich noch die Professoren F. Maurer (Jena), R. Semon
(München), R. von Lendenfeld (Prag) und Rudolf Hoernes
(Graz) sich in gleichem Sinne erklärten. (Vgl. S. 51, Nr. 22.)
Nun konnten freilich die Keplerbund-Direktoren — sehr ent
täuscht über diesen unerwarteten Ausfall des von ihnen arrangierten
„Ostrazismus“ — zu ihrem Tröste darauf hinweisen, daß mehrere
andere Biologen (darunter einige angesehene Schüler von mir) sich
der Abstimmung enthalten oder selbst ungünstig geäußert hätten.
Indessen bestätigt diese Tatsache nur die Richtigkeit der Ver
mutung, die ich in meiner Erklärung vom 24. Dezember 1908
�47
ausgesprochen hatte: „Wer unsere deutschen Embryologen kennt, mit
ihren weit auseinander gehenden TÄelen und Methoden, ihren wider
sprechenden allgemeinen Ansichten und Vorurteilen, der wird von
vornherein von ihnen kein übereinstimmendes Urteil in dieser hoch
peinlichen Gerichtsverhandlung erwarten können.“ (Vgl. Heinrich
Schmidt, Dokumente S. 16.)
Wen die einseitige und parteiische Darstellung dieses wunder
lichen „Embryonen-Prozesses“ vom evangelischen Jesuitenstandpunkt
SUS interessiert, der lese die Broschüre des sehr frommen (— aber
sehr unwissenschaftlichen! —) Direktors W. Teudt, eines
früheren Missionsgeistlichen: „Im Interesse der Wissenschaft“.
(Godesberg 1909). Die Gehässigkeit und Heuchelei dieser „Gottes
kinder“, verbunden mit unglaublichem Mangel an biologischen Kennt
nissen und logischem Denkvermögen, tritt hier in kläglichster
Weise zutage. (Vgl. unten im Anhang Nr. 27.)
Schlußwort.
„Welche Stufe in der Erkenntnis der Wahrheit haben wir
am Ende des neunzehnten Jahrhunderts wirklich erreicht? Und
welche Fortschritte nach diesem unendlich entfernten Ziele haben
wir im Laufe desselben wirklich gemacht?“
Diese schwerwiegende Frage hatte ich 1899 im Vorwort zu
der ersten Ausgabe der „Welträtsel“ (S. V) aufgeworfen und
hinzugefügt: „Die Antwort auf diese großen Fragen, die ich hier
gebe, kann naturgemäß nur subjektiv und nur teilweise ridhtig
sein; denn meine Kenntnisse der wirklichen Natur und meine
Vernunft zur Beurteilung ihres objektiven Wesens sind beschränkt,
ebenso wie diejenigen aller anderen Menschen. Das Einzige, was
ich für dieselben in Anspruch nehme, • und was ich auch von
meinen entschiedensten Gegnern verlangen muß, ist, daß meine
monistische Philosophie von Anfang bis zu Ende ehrlich ist,
d. h. der vollständige Ausdruck der Überzeugung, welche ich
durch vidjähriges eifriges Forschen in der Natur und durch unab
lässiges Nachdenken über den wahren Grund ihrer Erscheinungen
erworben habe.“
Diese vollkommene Ehrlichkeit der Überzeugung, die
uneigennützige Reinheit meines Charakters im Streben nach Er
kenntnis der Wahrheit, muß ich auch heute, wie vor elf Jahren,
auf das entschiedenste betonen, — heute noch um so mehr, als
inzwischen meine Person und meine Lebensarbeit von deren Gegnern
in der niedrigsten Weise beleidigt und verleumdet worden ist. Im
Laufe der letzten zehn Jahre ist durch Tausende von gehässigen
�48
Artikeln in klerikalen und reaktionären Blättern die infame Ver
leumdung verbreitet worden, daß ich unverantwortliche Fälschungen
der Wissenschaft begangen habe und nicht mehr würdig sei, unter
ihren Vertretern zu stehen. Die schwarze Presse des evangelischen
Keplerbundes hat darin gewetteifert mit derjenigen des katholischen
Thomasbundes. Beide Zweige des gewaltigen Jesuitenbundes haben
sich dabei derselben verächtlichen Mittel bedient; in beiden wird
gleicherweise der echt jesuitische Grundsatz verwendet: „Der Zweck
heiligt die Mittel.“
Die vorhergehenden kritischen Untersuchungen über die an
geblichen und die wahren „Fälschungen der Wissenschaft“ werden
jeden ehrlichen und unbefangenen Zuschauer dieses widerwärtigen
Kampfes überzeugt haben, daß die mir zugeschobenen „Fälschungen“
— durch „schematisierte Bilder“! — ganz bedeutungslos und für
die Erkenntnis der Wahrheit gleichgültig sind; daß dagegen die
großartigen Fälschungen des Jesuitenbundes (— durch Entstellung
des Weltbildes und Verdrehung der wichtigsten Entwicklungsgedan
ken! —) nicht die Erkenntnis, sondern die Verschleierung der Wahrheit
bezwecken. Tatsächlich soll dadurch die natürliche reine Entwick
lungslehre vernichtet und an ihre Stelle der alte dualistische Aber
glaube von einer übernatürlichen wunderbaren Schöpfung gesetzt
werden; — vor allem soll der wichtigste Folgeschluß der ersteren,
die Abstammung des Menschen von einer Reihe von Wirbel
tieren (zunächst Säugetieren) widerlegt werden. Nur weil ich diese
wichtigsten Sätze der monistischen Genetik seit einem halben Jahr
hundert unerschrocken vertreten, nur weil ich rücksichtslos ihre
Bedeutung für die einheitliche Weltanschauung verteidigt habe,
nur deshalb greift der Jesuitenbund mich so maßlos an.
Wenn ich jetzt in diesem „Kampf auf Tod und Leben“ gegen
den Jesuitenbund mich energisch und rücksichtslos verteidige, so
befinde ich mich persönlich im Zustande der Notwehr; sach
lich aber fühle ich mich dazu verpflichtet, die gute Sache der
Wahrheit, deren Förderung ich meine ganze Kraft und mein langes
Leben mit voller Hingebung gewidmet habe, bis auf den letzten
Blutstropfen zu verteidigen. Da ich jetzt im siebenundsiebzigsten
Lebensjahre stehe und nicht die Kraft mehr zu neuen selbständigen
Arbeiten besitze, da ich nach Niederlegung meines akademischen
Lehramtes nur noch eine kurze Zeitspanne des Lebens übrig habe,
kann es mir nicht in den Sinn kommen, durch diese notgedrungene
Verteidigung irgend einen Vorteil für mich zu erreichen. Wohl
aber wünsche ich damit meinen Namen — und damit die von mir
vertretene Sache — von den Flecken zu reinigen, mit welchen
�49
die infamen Lügen und die gewissenlosen Verleumdungen des
ijesuitenbundes sie besudelt haben.
Nichts liegt mir ferner, als meine Person in einem falschen
idealen Lichte leuchten zu lassen. Ich habe viele und große Fehler,
und habe trotz des besten Willens in meinen Arbeiten zahlreiche
Irrtümer begangen. Meine Begeisterung für die Natur und ihre
Erkenntnis (— von den Gegnern oft als „Fanatismus“ getadelt —■),
und besonders der frühzeitig entwickelte Trieb nach Abrundung
des ganzen Forschungsgebietes (— von einigen Freunden scherzhaft
als „Vdflständigkeitstrieb“ bezeichnet —) haben mich vielfach dazu
verführt, die Grenzen der „exakten“ Beobachtung zu überschreiten
und ihre Lücken durch Reflexion und durch Hypothesen auszu
füllen. Ich glaube aber, daß ich gerade dadurch oft zu brauch
baren Ergebnissen gelangt bin, und daß meine verspottete „Natur
philosophie“ die Erkenntnis und Verbreitung der Wahrheit mehr
gefördert hat, als die Tausende von Beobachtungen, die ich in
meinen Monographien der Radiolarien, Spongien, Medusen, Siphonophoren usw. gewissenhaft mitgeteilt habe.
In dem verworrenen Kampf um die Wahrheit, den die Jesu
iten mir aufgedrungen haben, kann nicht genug darauf hingewiesen
werden, daß dessen wichtigstes Ziel die Lösung des MenschenProblems ist, der gewaltigen „Frage aller Fragen“, wie sie
Thomas Huxley 1863 treffend genannt hat. Ich habe dieselbe
gründlich und erschöpfend in meiner Anthropogenie (L. 3) be
handelt, übersichtlich und zusammenfassend in meinem Vortrage
über „Das Menschen-Problem und die Herrentiere von Linné“ (L. 5).
(Neuer Frankfurter Verlag 1907.) Einer der geschicktesten und
wirksamsten Schachzüge der Jesuiten — der evangelischen
wie der katholischen! — besteht darin, daß sie dieses höchste
(für sie furchtbarste!) Problem entweder als „ganz unlösbar und
transzendent“ bezeichnen, oder dadurch beiseite schieben, daß sie
sich auf „Mangel an exakten Beweisen“ berufen.
Klarer als je zuvor liegt heute vor jedem freidenkenden Ge
bildeten die Erkenntnis, daß die vielgesuchte Wahrheit nur durch
die unbefangene Erkenntnis der Natur, nicht durch eine mystische
Offenbarung übernatürlicher Wunder gefunden werden kann.
Besser begründet als je zuvor schließt sich daran die Überzeugung,
daß auch unsere sittliche Lebensführung durch die erstere sich zu
einer höheren Stufe emporbilden wird als durch die letztere; unser
Monismus bleibt im besten Sinne das wahre „Band zwischen
Religion und Wissenschaft“.
Haeckel, Sandalion.
4
�50
Literaturnoten.
Aus der umfangreichen Sammlung von Broschüren und Zeitungs
artikeln, welche sich auf meine angeblichen ,,Fälschungen der Wissen
schaft“ beziehen, sind hier nur einige der wichtigsten angeführt. Von
meinen eigenen Arbeiten sind nur diejenigen genannt, welche in direkter
Beziehung zu den Fälschungs-Anklagen der Jesuiten stehen.
1. Ernst Haeckel, Generelle Morphologie der Organismen. 1866.
(Teilweiser Abdruck in den „Prinzipien der Generellen Morphologie“.
Georg Reimer 1906, Berlin.)
2. Ernst Haeckel, Natürliche Schöpfungsgeschichte 1868. XI. Aufl.
1909. Berlin, Georg Reimer.
3. Ernst Haeckel, Anthropogenie oder Entwickelungsgeschichte des
Menschen. I.Teil: Keimesgeschichte (Ontogenie). II. Teil: Stammesgeschichte (Phylogenie). Leipzig, Engelmann, 1874. VI. Aufl. 1910.
4. Ernst Haeckel, Der Kampf um den Entwickelungs-Gedanken.
Drei Vorträge, gehalten am 14. 16. und 19. April 1905 im Saale
der Sing-Akademie zu Berlin. I. Der Kampf um die Schöpfung.
II. Der Kampf um den Stammbaum. III. Der Kampf um die
Seele. Mit einem Nachwort : Entwickelungsgedanke und Jesuitismus.
Berlin, Georg Reimer, 1905.
5. Ernst Haeckel, Das Menschenproblem und die Herrentiere von
Linné, Neuer Frankfurter Verlag, 1907.
6. Ernst Haeckel, Unsere Ahnenreihe (Progonotaxis hominis). Kri
tische Studien über Phyletische Anthropologie. Jena, Fischer, 1908.
7. Ernst Haeckel, Die Welträtsel. Gemeinverständliche Studien über
monistische Philosophie. Bonn, Emil Strauß, 1899. Volksausgabe
(250. Tausend). Leipzig, Alfred Kröner, 1909.
8. Ernst Haeckel, Die Lebenswunder. Gemeinverständliche Studien
über biologische Philosophie. Leipzig, Alfred Kröner, 1904.
9. Heinrich Schmidt (Jena). Haeckels Embryonenbilder. Doku
mente zum Kampf um die Weltanschauung in der Gegenwart. Mit
zahlreichen Illustrationen. Frankfurt a. M„ Neuer Frankfurter Ver
lag, 1909.
10. Ludwig Plate, Ultramontane Weltanschauung und moderne Le
benskunde, Orthodoxie und Monismus (Diskussionsabend in Berlin,
am 18. Februar 1907). Jena, Gustav Fischer, 1907.
11.
12.
13.
14.
Gegenschriften des Jesuitenbundes.
Erich Wasmann, S. J. Die moderne Biologie und die Entwicke
lungslehre. Freiburg i. B., Herder, 1904. III. Aufl. 1906.
Erich Wasmann, S. J. Entwickelungstheorie und Monismus.
Drei Innsbrucker Vorträge (Oktober 1909). Innsbruck 1910.
Tilmann Pesch, S. J. Die großen Welträtsel. Philosophie der
Natur. III. Aufl. Freiburg, Herder, 1907.
Eberhard Dennert, S. K. (Gründer und wissenschaftlicher Di
rektor des Keplerbundes.) Haeckels Weltanschauung naturwissen
schaftlich kritisch beleuchtet. Stuttgart 1906.
15. Eberhard Dennert, S. K. Die Wahrheit über Ernst Haeckel
und seine „Welträtsel“. Halle 1909. — Weltbild und Weltanschau
ung. Hamburg 1908.
�5i
16. Johannes Reinke, S. K. Haeckels Monismus und seine Freunde.
Haeckel als Biologe. Leipzig 1907.
17. Johannes Riem, S. K. (Astronom im Keplerbunde.) Natur und
Bibel in der Harmonie ihrer Offenbarungen. Hamburg 1910.
iS. W. Teudt, S. K. (Missionsgeistlicher und Kirchlicher Direktor
des Keplerbundes). Im Interesse der Wahrheit: Haeckels „Fäl
schungen und die 46 Zoologen etc.“ Godesberg 1909.
19. Arnold Brass, S. K. (Wanderredner des Keplerbundes). Ernst
Haeckel als Biologe und die Wahrheit. Stuttgart, Kielmann, 1906.
20, Arnold Brass, S. K. Das Affenproblem. Professor Ernst Haeckel
und seine Fälschungen der Wissenschaft, und ihre Verteidigung
durch deutsche Anatomen und Zoologen. Leipzig, Wallmann, 1909.
Anhang.
21.
Zeugen im Embryonen-Prozeß.
Zeugnis von Carl Ernst von Baer, Entwickelungsgeschichte der
Tiere (Teil I, S. 221): „Die Embryonen der Säugetiere, Vögel,
Eidechsen und Schlangen, wahrscheinlich auch der Schildkröten,
sind in frühen Zuständen einander ungemein ähnlich, im ganzen
sowie in der Entwickelung der einzelnen Teile; so ähnlich, daß
man oft die Embryonen nur nach der Größe unterscheiden kann.
Ich besitze zwei kleine Embryonen in Weingeist, für die ich ver
säumt habe die Namen zu notieren; und ich bin jetzt durchaus
nicht im stände, die Klasse zu bestimmen, der sie angehören. Es
können Eidechsen, kleine Vögel oder ganz junge Säugetiere sein;
so übereinstimmend ist Kopf- und Rumpfbildung in diesen Tieren.
Die Extremitäten fehlen aber jenen Tieren noch. Wären sie auch
da, auf der ersten Stufe der Ausbildung begriffen, so würden sie
doch nichts lehren, da die Füße der Eidechsen und Säugetiere, die
Flügel und Füße der Vögel, sowie die Hände und Füße der Men
schen sich aus derselben Grundform entwickeln.“
22. Zeugnisse von kompetenten Sachverständigen. Die große Mehrzahl
der Urteile, welche in dem Embryonenkampfe seit zwei Jahren ab
gegeben worden sind, rührt von Autoren her, denen das schwierige
Gebiet der Embryologie fern hegt und die über die verschiedenen
Seiten der Streitfrage nicht genügend unterrichtet sind. Daher
sind von besonderem Werte die sachkundigen Urteile von solchen
Naturforschern, welche allgemein als zuständige Fachautoritäten
gelten. — Dr. Carl Rabl, Professor der Anatomie in Leipzig, einer
unserer kenntnisreichsten und urteilsfähigsten Embryologen, fällt
über den Kampf zwischen „Haeckel und Keplerbund“ ein ein
gehendes und wohlbegründetes Urteil, das besondere Beachtung
verdient, in der Frankfurter Zeitung vom 5. März 1909 (— u. a.
abgedruckt im „Freidenker“ Nr. 406, vom 15. März 1909 und in
der Broschüre von Heinrich Schmidt, „Dokumente“ S. 62). —
In gleichem Sinne äußerten sich zu meinen Gunsten Professor
Dr. Friedrich Maurer (Jena), Professor Dr. Richard Hertwig
(München) und Professor August Forel (Zürich). Vgl. H. Schmidt,
Dokumente, S. 61—70. (Vgl. auch Note 28.)
4:
�—
52
—
2j. Die Leipziger Deklaration (Mitte Februar 1909), in welcher die
Angriffe vom Keplerbunde und von Dr. Brass (als dessen sachver
ständigen Kronzeugen) „aufs schärfste verurteilt werden“, ist von
den nachstehend genannten 46 Biologen unterzeichnet und hat fol
genden Wortlaut: „Die unterzeichneten Professoren der Anatomie
und Zoologie, Direktoren anatomischer und zoologischer Institute
und naturhistorischer Museen usw. erklären hiermit, daß sie zwar
die von Haeckel in einigen Fällen geübte Art des Schematisierens
nicht gutheißen, daß sie aber im Interesse der Wissenschaft und
der Freiheit der Lehre den von Brass und dem Keplerbund gegen
Haeckel geführten Kampf aufs schärfste verurteilen. Sie erklären
ferner, daß der Entwickelungsgedanke, wie er in der Deszendenz
theorie zum Ausdrucke kommt, durch einige unzutreffend wieder
gegebene Embryonenbilder keinen Abbruch erleiden kann.“
Dietrich Barfurth-Rostock. — Robert Bonnet-Bonn. — Theodor
Boveri-Würzburg. — Karl Chun-Leipzig. — K. Eckstein-Eberswalde.
— Ernst Ehlers-Göttingen. — K. Escherich-Tharandt. — Paul
Flechsig-Leipzig. — Max Fürbringer-Heidelberg. — Leo GerlachErlangen. — Alexander Goette-Straßburg i. E. — Ludwig v. GraffGraz. — Karl Grobben-Wien. — Johann Karl Hasse-Breslau. —
Berthold Hatschek-Wien. — Karl Heider-Innsbruck. — Richard
Hertwig-München. — Ferdinand Hochstetter-Wien. — Moritz HollGraz. — Erich Kallius-Greifswald. — E. B. Klunzinger-Stuttgart.
— G. v. Koch-Darmstadt. — Julius Kollmann-Basel. — Eugen
Korschelt-Marburg. — Karl Kraepelin-Hamburg. — Willy Küken
thal-Breslau. — Arnold Lang-Zürich. — Friedrich Merkel-Göttingen.
— Siegfried Mollier-München. — Georg Pfeffer-Hamburg. — Lud
wig Plate-Jena. — Karl Rabl-Leipzig. — Heinrich ReichenbachFrankfurt a. M. — L. Rhumbler-Hann. Münden. — F. Römer-Frank
furt a. M. — Johannes Rückert, München. — Georg Ruge-Zürich.
— H. Schauinsland-Bremen. — Gustav Schwalbe-Straßburg i. E. —
Franz Eilhard Schulze-Berlin. — Philipp Stöhr-Würzburg. — Karl
Toldt-Wien. — Wilhelm Waldeyer-Berlin. — August WeismannFreiburg i. B. — Robert Wiedersheim-Freiburg i. B. — Emil
Zuckerkandl-Wien. ‘ ‘
24. Die Berliner Deklaration. Mitte März 1909 veröffentlichten 37 Hoch
schullehrer und Direktoren wissenschaftlicher Institute (größten
teils Mitglieder des Keplerbundes, viele Nichtnaturforscher!) in der
konservativen „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ eine de
monstrative Gegenerklärung gegen die Leipziger Deklaration
(Note 23); sie ist sowohl in den „Dokumenten“ von Heinrich
Schmidt (S. 54—58) als in den „Fälschungen“ von Teudt (S. 89
bis 91) wörtlich abgedruckt und in ersteren kritisch beleuchtet.
Wie unwahr und sophistisch diese jesuitische Gegenerklärung
ist, wie dadurch eine gefährliche „Irreführung der öffentlichen
Meinung“ bewirkt wird, hat H. Schmidt daselbst bereits gezeigt,
Ich will hier nur den ersten und prinzipiell wichtigsten Punkt her
vorheben: Die Berliner Deklaranten behaupten (— irrtümlich bona
fide, oder fälschlich mala fide? —): „Der Keplerbund steht auf
dem Boden einer absolut freien wissenschaftlichen Forschung
und Lehre.“ Ist denn diesen Herren unbekannt, daß der Gründer
�53
und die Seele des Keplerbundes, Dr. Dennert, seit mehr als zehn
Jahren bei jeder Gelegenheit behauptet, daß jede Wissenschaft nur
soweit frei ist, als ihre Lehre nicht dem Christentum widerspricht?
Ist ihnen unbekannt, daß sein Ziel „Die Aufrichtung einer wahr
haft christlichen Weltanschauung mit naturwissenschaftlicher
Orientierung“ ist? Und das soll „Freiheit“ der Wissenschaft
sein! Dieselbe Freiheit, wie im Syllabus und der Enzyklika des
römischen Papstes! (Vgl. hierzu oben S. 15.)
Provokation des Embryonen-Kampfes. In zahlreichen Publikationen
des Keplerbundes wird die falsche Behauptung wiederholt, ich
habe den widerwärtigen Kampf um die Embryonenbilder begonnen
und Brass zuerst angegriffen. So erklärten z. B. am 9. März 1905
im „Reich“ 20 Mitglieder des Keplerbundes: „Wir mißbilligen
zwar den Ton, den Braß gegen Haeckel anschlägt; die Gerechtig
keit erfordert aber die Feststellung der Tatsache, daß Braß durch
Haeckels maßlose, dem Erscheinen der Broschüre voraufgegangenen
persönlichen Beleidigungen gereizt und zu seinem Stil geradezu
provoziert worden ist.“ — Diese Angabe ist unwahr. Ich habe
auf Braß’ Broschüre („Wahrheit“, 1906) nicht geantwortet und bin
erst 1908 durch seine unglaublich dreisten Angriffe dazu gezwungen
worden, mich mit ihm zu beschäftigen. (Vgl. oben S. 24, und
H. Schmidt, Dokumente, S. 8 und 52.)
26. Ältere Fälschungsanklagen. Die Staatsanwälte des Jesuiten
bundes — Erich Wasmann für den katholischen Thomasbund,
Arnold Braß für den evangelischen Keplerbund — haben sich
nicht damit begnügt, meine „gewissenlosen Fälschungen der Wissen
schaft“ im letzten Dezennium aufzudecken, sondern sie haben auch
die älteren, längst verjährten — und längst widerlegten! —
Anklagen wieder aufgewärmt, welche seit mehr als vierzig Jahren
von orthodoxen Theologen und von exakten Biologen (insbesondere
dem Anatomen Wilhelm His 1875 und dem Physiologen Victor
Hensen gegen mich erhoben worden sind. Die Antwort darauf
habe ich bereits 1891 in einem Apologetischen Schlußwort
zur Vierten Auflage der Anthropogenie gegeben (S. 857—864);
(— es fehlt in der fünften und sechsten Auflage —). Vgl. auch
meine Schrift über „Ziele und Wege der heutigen Entwick
lungsgeschichte, Jena 1875.
27. „Im Interesse der Wissenschaft“ betitelt der kirchliche Direktor
des Keplerbundes W. Teudt irrtümlich die Broschüre, in der er
(
als Gegenstück zu den „Dokumenten^ von Dr. Heinrich
Schmidt —) den Embryonenkampf vom Jesuiten-Standpunkt
schildert; er verwechselt hier „Wissenschaft“ und „Kirche“
— oder „Erfahrung“ und „Offenbarung“. Da dieser fromme
Missionsgeistliche nicht mit Wissen beschwert und in philosophischen
Fragen ein unschuldiges Kind ist, bedarf seine konfuse Streitschrift
keiner besonderen Widerlegung.
a8. „Vierundvierzig Wirbel“ (!). Besonderes Aufsehen hat in dem AffenProblem von Brass (S. 23) die Behauptung hervorgerufen, ich habe
dem menschlichen Embryo 44 Urwirbel eingezeichnet, während ihm
in Wahrheit nur 33—35 zukämen. Diese jesuitische Anklage, die
Brass zu den gemeinsten Beleidigungen Anlaß gibt, ist falsch.
�54
Weder ich, noch der Zeichner der betreffenden Figur hat an die
Wirbelzahl nur gedacht, da sie in dem betreffenden Text über
haupt nicht besprochen wird. Erst Brass hat sich hingesetzt
und genau nachgezählt, wieviele von den Querstrichen, die die
Wirbelsäule andeuten sollen, auf der undeutlich ausgeführten Figur
sich unterscheiden lassen. Übrigens ist die Wirbelzahl bekanntlich
variabel, und es kommen bei einzelnen, langgeschwänzten Menschen-Keimen 43—44 Wirbel als Ausnahme wirklich vor. Vgl.
Anthropogenie S. 388 und 770; H. Schmidt, „Dokumente“, S. 85.
— Professor Friedrich Maurer, der Nachfolger von Carl Gegenbaur in Jena, sagt in der „Täglichen Rundschau“ Nr. 81 (vom
6. April 1909): Was speziell die Embryonen von Säugetieren und
Menschen in frühen Entwicklungsstadien betrifft, so möchte ich fol
gendes hervorheben: In den 30 Jahren, in welchen ich mich mit
embryologischen Studien befasse, habe ich auch häufig auf die Ver
schiedenheiten von Säugetierembryonen der gleichen Art geachtet
und gefunden, daß auch unter Geschwistern individuelle Differenzen
bestehen. Anderseits erscheinen die Verschiedenheiten zwischen
Embryonen nahe verwandter Säugetiere sehr gering. Wenn mir
nicht bezeichnete Säugetierembryonen noch dazu in konserviertem
Zustande vorgelegt würden, würde ich mir nicht zutrauen, zu ent
scheiden, welcher Säugetierform sie entstammen. Ich stimme darin
mit Rabl vollkommen überein, daß Haeckel durch die Nebeneinanderstellung von sorgfältig ausgeführten Photographien jüngster
Säugetier- und Menschen-Embryonen die von ihm vertretene Lehre
noch nachdrücklicher bewiesen hätte, als er es durch seine schemati
sierten Bilder getan hat. Es ist ein großes Verdienst Haeckels, daß
er in seinen populären Büchern die wichtigen biologischen Probleme
vor das große Publikum gebracht hat, so daß auch der Laie dazu
veranlaßt wurde, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, die den
Menschen so unmittelbar betreffen.
29. Naturwissenschaft und Naturphilosophie. Mit besonderem Nach
druck betonen die Leiter des Keplerbundes den Gegensatz dieser
beiden Forschungsrichtungen, die Erforschung der Natur durch
Beobachtung der Tatsachen, und ihre Deutung durch die
Theorie. Nur die erstere soll gestattet, die letztere verboten sein.
(Vgl. Dennert, „Weltbild und Weltanschauung“.) Der Widersinn
dieser Forderung, der Aufbau eines empirischen Weltbildes ohne
Gedanken, die Abweisung einer theoretischen Weltanschauung,
welche die Lücken der Erfahrung durch Hypothesen ausfüllt, ist
schon vielfach dargelegt worden. Besonders treffend hat dieselbe
Dr. A. Hansen, (Professor der Botanik in Gießen) widerlegt, in
dem Aufsatz: „Der Keplerbund und seine Leiter („Freies Wort ,
Frankfurt a. M., IX. Jahrgang, Dezember 1909, Nr. 18, S. 715).
Vgl. auch dessen treffliche Artikel in der Vossischen Zeitung Nr. 52
und 96, vom 1. und 26. Februar 1909: „Naturwissenschaft und
Keplerbund“.
30. Das Ketzergericht in der „Jugend“. Das„ErgötzlicheSchauspiel
der modernen Inquisition, welche die Jesuiten beider Konfes
sionen — „als Ehrenretter der Wissenschaft“! — auf
Grund der falschen Anklagen und infamen Verleumdungen von
�55
Dr. Arnold Brass gegen mich 1909 in Szene gesetzt haben, ist
treffend geschildert in Nr. 11 der Münchener „Jugend“ (Georg
Hirth); abgedruckt in der Broschüre von Dr. Heinrich Schmidt
(„Dokumente“ S. 90).
Dank den Jesuiten! Undank ist eine häßliche Untugend, und
so möchte ich hier meine notgedrungene Verteidigung gegen die
„vermchtenclen^ Fälschungsanklagen der Jesuiten nicht schließen,
ohne dankbar anzuerkennen, daß ich diesen gefährlichsten „Nach
folgern Christi“ mein Leben verdanke, ja wirklich meine persön
liche Existenz! Mein Urgroßvater Gottlob Haeckel und
dessen Vater (aus Radstadt) gehörten zu den 30000 Salzburger
Emigranten, welche 1732 durch den Erzbischof Grafen Firmian
wegen ihres protestantischen Glaubens aus Salzburg vertrieben
wurden — auf Anstiften der Jesuiten, welche vergeblich sie zu
bekehren versucht hatten! Ihre Güter wurden von der Kirche
konfisziert! Wenn mein Urgroßvater nicht damals seine Salz
burger Heimat hätte verlassen müssen und durch Friedrich
den Großen (— den monistischen Freidenker! —) eine Zu
fluchtsstätte in Hirschberg (Schlesien) gefunden hätte, so würde
mein lieber Vater Carl Haeckel niemals meine teure Mutter
Charlotte Sethe (gebürtig vom Niederrhein) in Berlin kennen
gelernt haben. Also würde ich nach den jetzt geltenden Ver
erbungsgesetzen (—mit allen meinen persönlichen Anlagen und
Eigenschaften! —) niemals das Licht dieser Welt erblickt haben.
Denn es ist durch unsere moderne Physiologie zweifellos festgestellt,
daß alle körperlichen und geistigen Anlagen einer jeden Person
Erbstücke von ihren beiden Eltern und von deren Vorfahren sind;
das gilt vom Menschen ebenso wie von allen anderen Wirbeltieren.
Demnach darf ich mit voller Sicherheit behaupten, daß durch
eine merkwürdige Verkettung von Schicksalen jene Salzburger Ver
folgung der protestantischen Ketzer die wirkliche Vorbedingung
für meine individuelle Entwickelung war; ohne sie würde ich nicht
einmal vorübergehend die Bildungsstufe des Sandalion (am zwölften
Tage meiner persönlichen Existenz! Fig. A) durchlaufen haben. Also
verdanke ich es in erster Linie den gottbegnadeten Jesuiten, daß
ich mich zu einem freidenkenden Primaten entwickeln und die
berüchtigten „Welträtsel“ schreiben konnte.
„Welche wunderbare Fügung“!
�Der Neue Frankfurter Verlag, Frankfurt a.M.
versendet kostenlos
ein Verzeichnis seiner neuen Schriften
in einer Broschüre unter dem Titel
Zwei Weiten
Drei Leitartikel zum Kampf um den
kulturellen Fortschritt aus der Halb
monatsschrift »Das freie Wort«
Die Broschüre wird auf Verlangen
kosten- und portofrei an jede dem Ver
lag bekanntgegebene Adresse versandt.
�Neuer Frankfurter Verlag G. m. b. H., Frankfurt a. M.
Schriften zum ChristusProblem:
Moses — Jesus — Paulus. Drei Varianten
des
babylonischen Gottmenschen Gilgamesch. Eine Anklage und ein
Appell von P. Jensen, ord. Professor der semitischen Philologie.
Dritte Auflage (4.—6. Tausend).
Preis M. 1.20.
Hat der Jesus der Evangelien wirk
lich gelebt? Von P. Jensen, ord. Professor der semiPreis M. —.50.
tischen Philologie.
Die Petruslegende.
Ein
Beitrag zur Mythologie
des Christentums. Von Professor Dr. Arthur Drews. Preis M. 1.—.
Zur Aufhellung der Christusmythologie. Von Arthur Böhtlingk.
Preis M. —.20.
Der moderne Jesuskultus.
Schnellen.
Zweite Auflage.
Wir Gelehrten vom Fach!
Von W. von
Preis M. 1.—.
Eine Streitschrift
gegen Prof. D. von Sodens „Hat Jesus gelebt?“ Von Fr. Steudel,
Pastor in Bremen.
Preis M. 1.20.
Griechischer Philosoph u. geschicht
licher Heiland. Von R. Hoyer. Preis M. —.50.
Geschichte des Christentums,
von j0hn
M. Robertson. Mit einer Einführung von Prof. Dr. Arthur Drews.
Ein starker Band von 435 Seiten.
in elegantem Einband M. 5.50.
Preis broschiert M. 4.50,
�Neuer Frankfurter Verlag G. m. b. H. Frankfurt a. M.
Die Affäre Ferrer.
Der an ihm begangene Justizmord auf Grund der von der spanischen
Regierung veröffentlichten Akten dargestellt von Jean-Jacques Kaspar.
Vorwort von Gabriel Séailles und einem Vorwort zur deutschen
Ausgabe. Preis M. —.80.
Das heutige Spanien unter
dem Joche des Papsttums.
Von Padre Don José Ferrandiz, ehemaligem katholischen Geistlichen
zu Madrid. Autorisierte Übersetzung von Don Ibero.
Preis broschiert M. 2.50, elegant gebunden M. 3-5°Christliche Freiheit, Bonn. Allen, denen das Wohl und Wehe des
eigenen Vaterlandes am Herzen liegt, kann das Studium dieses kleinen
Büchleins nicht eindringlich genug empfohlen werden. Es gibt kaum etwas,
was so grelle Schlaglichter auf die Kampfesart und internationalen Kampfesziele des Ultramontanismus wirft, als die Geschichte des „großen“ Spaniens.
Der schlimmste Feind auch unseres Landes wie jeder Kulturwelt, bleibt das
römische Papsttum.
Frankfurter Zeitung. Gerade zu rechter Zeit, wo von Spanien so viel
die Rede ist, wird ein Buch veröffentlicht, das einen tiefen Einblick in die
Zustände Spaniens, sowie in die finsteren Ursachen seines Kulturrückstandes
und der zeitweisen revolutionären Zuckungen gewährt................... mit solcher
Frische und Lebendigkeit geschrieben, daß der Leser einen spannenden
Roman vor sich zu haben glaubt..............
Der „rote Kaplan“.
Zum Andenken an Dr. Heinrich V. Sauerland.
EineAuswahl seiner im „Freien Wort“ pseudonym erschienenen Arbeiten.
Herausgegeben und eingeleitet von Max Henning. Preis M. —.80.
Christliche Freiheit, Bonn. Unter diesem Titel gibt der Neue Frank
furter Verlag eine Auswahl kirchenpolitischer Arbeiten heraus, die im „Freien
Wort“ pseudonym erschienen sind. Sie machten schon bei ihrem Erscheinen
durch ihre große Sachkenntnis ebenso wie durch ihre rückhaltlos offene
Sprache viel von sich reden. Der Klerikalismus sah hier einen Feind von
solcher Wucht, daß er immer unterlag. Nun gewinnen diese Aufsätze an
Reiz durch die Aufhellung über ihren Verfasser. Es ist der in Dortmund
als roter Kaplan in den 60er Jahren bekannte Dr. Sauerland, der nachmals
seine geschichtlichen Studien im Vatikan-Archiv fortsetzte und als Historiker
ebenso gründliches leistete, wie er als deutscher Patriot und freisinnig
empfindender Mensch jederzeit den Kampf um die Wahrheit geführt hat.
Wir sind dem Verlag sehr dankbar, daß er diese wertvollen
Artikel gesammelt hat.
Sie kommen gerade zu rechter Zeit
und finden hoffentlich einen weiten Leserkreis._______ __________ __
Amulettkatholizismus.
von Max Henning.
Preis M. —.20.
�Neuer Frankfurter Verlag G. m. b. H., Frankfurt a. M.
Beobachtungen über die Psyche der
Menschenaffen von Dr. Alexander Sokolowsky,
zoologischem Assistenten am Hagenbeckschen Tierpark in Stellingen.
Mit einem faksimilierten Vorwort von Ernst Haeckel, 9 Tafeln und
mehreren Textillustrationen. Preis M. I.50.
Neue Freie Presse, Wien. Ganz abgesehen von dem naturwissen
schaftlichen Wert sind die fesselnd erzählten Anekdoten aus dem Leben
der Menschenaffen, die durch vorzügliche Photographien noch lebendiger
gestaltet werden, eine anregende Lektüre.
Berliner Volkszeitung. Die Frucht seiner Studien ist das vorliegende
Buch, dessen höchst interessante Lektüre jedem Naturfreunde aufs
wärmste empfohlen werden kann, besonders denjenigen, die sich für
die Entwickelungsgeschichte des Menschen interessieren.
Therapeutische Rundschau. Ein höchst interessantes und jedem,
auch dem nicht auf monistischem Standpunkte stehenden Freunde der
Tierseele zur Lektüre warm empfohlenes Buch.
Kölnische Zeitung. Die Mitteilungen, die er in der genannten
Schrift macht, sind nach dieser Richtung hin von höchstem Interesse,
Schon weil sie dartun, daß die Intelligenz jener Affen weit größer ist,
als man bisher annahm.
Dr. L. Reinhardt
Die älteste menschliche Bevölkerung
Europas zur Eiszeit und ihre Her
kunft nach den neuesten Skelett
funden. Mit zahlreichen Illustrationen. Preis M. I.—.
Neues Wiener Journal. Das sind in Kürze zusammengefaßt die
Resultate der von Reinhardt zum Teil zum erstenmal publizierten Er
gebnisse der anthropologischen Forschung über die ersten Menschen
auf europäischem Boden, ihre Kultur, ihr Aussehen. Es grenzt ans
Wunderbare, mit welchem Scharfsinn die Wissenschaft hier aus spär
lichen Skelettfunden überraschende Schlüsse gezogen hat. Das über
aus instruktive Werkchen Reinhardts ist mit zahlreichen Bildertafeln
geschmückt.
Wissenschaft und Religion.
Von Friedrich
Jodi, o. ö. Professor der Philosophie an der Universität Wien.
Preis M. —.50.
Pester Lloyd. In gewohnter Meisterschaft entwickelt diese Schrift
diesen Grundgedanken im Zusammenhang und in Auseinandersetzung
mit den sozialen, religiösen und politischen Forderungen der Gegenwart.
Wir werden uns bewußt der sittlichen Kräfte, die im Menschen schlum
mern und nur geweckt werden sollen, um Großes und Edles zu gestalten,
oder wie Jodi sagt: Nicht der Übermensch, sondern der Edelmensch
ist der Typus, dem die ethische Kultur nachstrebt.
�Neuer Frankfurter Verlag, G. m. b. H., Frankfurt a. M.
Noch niemals habe ich eine so klare Darstellung
. gelesen wie in diesem Buche. (Therapeutische Rundschau.)
Moderne Blutforschung
und Abstammungslehre.
Experimentelle Beweise der Deszendenztheorie nebst kritisch.
Bemerkungen zu Jesuitenpater Wasmanns Gegenargumenten
von
Dr. Max Seber.
Berliner Tageblatt. Wem es darum zu tun ist, sich einen guten Einblick in das Wesen und die Bedeutung dieses wichtigen Zweiges unserer
biochemischen Forschung zu verschaffen, dem sei die aufmerksame Lektüre
der soeben erschienenen Broschüre recht dringend empfohlen. Der Verfasser
war mit Erfolg bemüht, die außerordentlich schwierige wissenschaftliche
Materie dem allgemeinen Verständnis näher zu bringen.
Therapeutische Rundschau, Berlin. Noch niemals habe ich eine so
klare Darstellung der biochemischen Vorgänge, eine so durchsichtige Er
Läuterung der Ehrlich’schen Seitenkettentheorie gelesen, wie mt diesem Buche
Ist es selbst für einen naturwissenschaftlich durchgebildeten Mediziner nicht
leicht diese Theorie sozusagen „auf Anhieb“ in sich aufzunehmen, so ist es
für den Laien ganz unmöglich, sich über diese geniale Theorie klar zu werden,
wenn ihm nicht Bissen für Bissen mundgerecht gemacht wird . ... • ve
fasser hilft damit, wie dies gewiß mancher schon lange empfunden hat, eine
sehr dringenden Bedürfnis ab.
Volkszeitung, Berlin. Alle diese an und für sich nicht einfachen Tat
sachen und Schlußketten weiß der Verfasser mit viel Klarheit und Über
sichtlichkeit darzustellen, so daß sie für jeden leicht verständlich werden.
Deutsche Ärzte-Zeitung. Die Arbeit ist klar und verständlich ge
schrieben bringt alles Wesentliche und ist weiteren und weitesten Kreisen
zur Orientierung über diese hochinteressanten Fragen der modernen Bakten
logie sehr zu empfehlen.
Tierärztliche Rundschau, Friedenau. Die in klarer und faßlicher Form
. esebenen Ausführungen sind um so mehr zu begrüßen, als sie das ganze Gebift der noch verhältnismäßig jungen Blutforschung zum ersten Male in zu
sammenfassender Weise behandeln.
Archiv für Rassen und Gesellschaftsbiologie. Die Schrift von Seber
l.ömXwü X SK sich über diese
d'es
wünschen dringend empfehlen. Verfasser gibt trotz de
&
Itofies Ä klares und übersichtliches Bild von dem, was aal diesem Geb.ete
von deutschen und englischen Forschern geleistet wurde.
Druck von Oscar Brandstetter in Leipzig.
�Neuer Frankfurter Verlag, G. m. b. H., Frankfurt a. M.
Das biogenetische Grundgesetz
Ernst Haeckels und seine Gegner.
Von Dr. Heinrich Schmidt (Jena). Mit 18 Illustrationen. Zweite
umgearbeitete und vermehrte Auflage. Preis broschiert M. I.8o,
gebunden M. 2.50.
Berliner Tageblatt: Seine Polemik ist scharf, zuweilen rücksichtslos,
aber niemals verletzend, und überdies ist sie stets auf einem reich
haltigen, gut gesichteten Tatsachenmaterial aufgebaut. Aus diesen
Gründen möchten wir die Schrift, die indessen Gott sei Dank keines
wegs in den Sammelsuriumsack der sogenannten „populärwissenschaft
lichen“ gehört, sehr warm empfehlen. Wer mit einem Verfasser mitdenkend zu lesen vermag, wird aus diesem Buche vielen Gewinn für
seine Erkenntnis ziehen.
Volkszeitung, Berlin.......... Im Schlußkapitel setzt sich der Verfasser
mit den einzelnen Gegnern des Biogenetischen Grundgesetzes auseinander,
die Gründe, die einzelne Biologen dagegen anführen, werden widerlegt
oder als unzutreffend gekennzeichnet, da sie meistens die zweite Seite
des Gesetzes, das Gesetz der abgekürzten und verfälschten Vererbung
nicht genügend berücksichtigen. Fast alle Einwände sind auf die Ver
nachlässigung dieser gerade auch von Haeckel oft betonten Erschei
nungen zurückzuluhren. Es kommen aber auch die Naturforscher, die
für Haeckel eintreten, zu Wort, so daß man ein selbständiges Bild
vom heutigen Stande der Theorie erhält. Eine Reihe von Abbildungen
und Anmerkungen des Verfassers, die für jeden Freund der Natur und
einer modernen Weltanschauung lesenswert sind, sind schätzbare Bei
gaben.
U.
Haeckels Embryonenbilder.
Dokumente zum Kampf um die Weltanschauung in der Gegen
wart. Mit zahlreichen Abbildungen. Herausgegeben von
Dr. Heinrich Schmidt (Jena). Preis M. 1.—.
Die Wage, Wien. Wir wünschen dieser Schrift die weiteste Ver
breitung. Sie gehört in die Bibliothek eines jeden, der sich für Welt
anschauungsfragen interessiert.
Der Monismus, Berlin. Was weite Kreise und auch wir im Deutschen
Monistenbund gewünscht haben angesichts des unvergeßlichen Streites
um den Entwickelungsgedanken — er ist nichts anderes, wie auch die
berühmte „Erklärung“ der 46 Professoren beweist — Hegt in dieser
Schrift vor, und deshalb sei sie allen Interessenten empfohlen.
Akademische Rundschau, Leipzig. Diese Schrift ist für jeden Aka
demiker, der sich über den Streit zwischen Haeckel und dem Kepler
bund orientieren will, von Wichtigkeit. Ihr Wert wird dadurch erhöht,
daß sie wörtlich die verschiedenen Meinungsäußerungen wiedergibt.
Vorzugsangebot.
Ernst Haeckel als Erzieher.
Von Arnold Dodel.
Mit 4 Bildbeilagen.
Früher M. 1.—.
Preis jetzt nur M. —.40.
�Neuer Frankfurter Verlag G. m.b.H., Frankfurt a. M.
Ernst Haeckel
Das Menschenproblem und
die Herrentiere von Linné
Mit drei Tafeln und dem Bilde des Verfassers in Lichtdruck
7. und 8. Tausend.
Preis M. 1.50
An- die diesem Buche beigefügten Bilder hat der Streit um die
„gefälschten“ Embryo nenbilder angeknüpft.
Die Wage, Wien. Solange es Professoren wie Reinke und Unter
richtsminister wie Studt (auch sein Nachfolger scheint die „königlich
preußische Staatsreligion“ energisch schützen zu wollen) gibt, müssen
von Zeit zu Zeit Männer wie Haeckel das Wort ergreifen, um der
„reinen Vernunft“ zum Siege zuverhelfen.
Breslauer Zeitung. Diese Abrechnung ist denn wiederum ganz köstlich.
Straßburger Post. Einen großen Sieg erfocht Haeckel auf dem LinneKongreß zu Upsala. Man entschied sich einmütig für die von H. seit
33 Jahren verfochtene Auffassung eines einheitlichen Ursprunges aller
Säugetiere. Von höchstem Inseresse sind weiter Haeckels Darlegungen
über die auf anthropogenetischen Gebiete entsprießenden Einheits
beweise, für die Haeckel seit 1874 offen eintritt.
Deutsche militärärztliche Zeitschrift, Berlin. Er macht es so dem
gebildeten Laien möglich, einen Einblick zu gewinnen in die Lehren
von der Phylogenie und Ontogenie, des Dualismus und Monismus.
Der Monistenbund
Thesen zur Organisation
des Monismus
7. u. 8. Tausend
Preis M. —.25
Oscar Brandstetter in Leipzig.
�
Dublin Core
The Dublin Core metadata element set is common to all Omeka records, including items, files, and collections. For more information see, http://dublincore.org/documents/dces/.
Title
A name given to the resource
Victorian Blogging
Description
An account of the resource
A collection of digitised nineteenth-century pamphlets from Conway Hall Library & Archives. This includes the Conway Tracts, Moncure Conway's personal pamphlet library; the Morris Tracts, donated to the library by Miss Morris in 1904; the National Secular Society's pamphlet library and others. The Conway Tracts were bound with additional ephemera, such as lecture programmes and handwritten notes.<br /><br />Please note that these digitised pamphlets have been edited to maximise the accuracy of the OCR, ensuring they are text searchable. If you would like to view un-edited, full-colour versions of any of our pamphlets, please email librarian@conwayhall.org.uk.<br /><br /><span><img src="http://www.heritagefund.org.uk/sites/default/files/media/attachments/TNLHLF_Colour_Logo_English_RGB_0_0.jpg" width="238" height="91" alt="TNLHLF_Colour_Logo_English_RGB_0_0.jpg" /></span>
Creator
An entity primarily responsible for making the resource
Conway Hall Library & Archives
Date
A point or period of time associated with an event in the lifecycle of the resource
2018
Publisher
An entity responsible for making the resource available
Conway Hall Ethical Society
Text
A resource consisting primarily of words for reading. Examples include books, letters, dissertations, poems, newspapers, articles, archives of mailing lists. Note that facsimiles or images of texts are still of the genre Text.
Original Format
The type of object, such as painting, sculpture, paper, photo, and additional data
Pamphlet
Dublin Core
The Dublin Core metadata element set is common to all Omeka records, including items, files, and collections. For more information see, http://dublincore.org/documents/dces/.
Title
A name given to the resource
Sandalion : eine offene Antwort auf die Fälschungsanklagen der Jesuiten
Creator
An entity primarily responsible for making the resource
Haeckel, Ernst Heinrich Philipp August [1834-1919]
Description
An account of the resource
Place of publication: Frankfurt a.M.
Collation: 55, [5] p. ; 22 cm.
Notes: Publisher's advertisements on unnumbered pages at the end. Advertisement for Das Freie Wort (periodical) inside front cover. Includes bibliography (p.50-51). Part of the NSS pamphlet collection.
Publisher
An entity responsible for making the resource available
Neuer Frankfurter Verlag
Date
A point or period of time associated with an event in the lifecycle of the resource
1910
Identifier
An unambiguous reference to the resource within a given context
N297
Subject
The topic of the resource
Jesuits
Rights
Information about rights held in and over the resource
<a href="http://creativecommons.org/publicdomain/mark/1.0/"><img src="http://i.creativecommons.org/p/mark/1.0/88x31.png" alt="Public Domain Mark" /></a><span> </span><br /><span>This work (Sandalion : eine offene Antwort auf die Fälschungsanklagen der Jesuiten), identified by </span><a href="https://conwayhallcollections.omeka.net/items/show/www.conwayhall.org.uk"><span>Humanist Library and Archives</span></a><span>, is free of known copyright restrictions.</span>
Format
The file format, physical medium, or dimensions of the resource
application/pdf
Type
The nature or genre of the resource
Text
Language
A language of the resource
German
Human Evolution
Jesuits
NSS